Die tödlichen Spuren der Geschichte

Saarbrücken. Das Publikum wird sich schwertun mit Reinhard Jirgls Roman "Die Stille". Nicht das deutsche Panorama des langen 20. Jahrhunderts, entlang einer fatalen Familiengeschichte erzählt, wird die Lesehürde sein. Das Spachkraftwerk Jirgl setzt eine hohe Schwelle

Saarbrücken. Das Publikum wird sich schwertun mit Reinhard Jirgls Roman "Die Stille". Nicht das deutsche Panorama des langen 20. Jahrhunderts, entlang einer fatalen Familiengeschichte erzählt, wird die Lesehürde sein. Das Spachkraftwerk Jirgl setzt eine hohe Schwelle.

Die Weigerung des 1953 in Ostberlin geborenen Autors, dem Publikumsgeschmack entgegenzukommen, war bereits in der DDR entstanden. Hierzulande ist sie seit "Abschied von den Feinden" oder "Die atlantische Mauer" bekannt: Jirgl regelt seine Orthographie und Zeichensetzung als freier Schriftsteller, er verwendet eine phonetisch-semantische Schreibung und holt aus den Tiefen der deutschen Sprache alles heraus, was längst vergessen oder noch nie entdeckt wurde.

Einfacher wird das Lesen dadurch nicht, aber wer sich auf diese Sprache einlässt, erlebt sein blaues Wunder. Reingard Jirgl hat für seine ungewöhnliche Literatur unter anderem den Alfred-Döblin-Preis und den Joseph-Breitbach-Preis erhalten. Jetzt klopft er an die Pforten des Preises der Leipziger Buchmesse. Eine Entscheidung für ihn wäre ein großes Kompliment an das deutsche Lesepublikum. Die Familiengeschichte um den Arzt Georg Heinrich Ferdinand Adam und seine Schwester Felicitas entwickelt sich entlang eines Albums mit 100 alten Familienfotografien. Die deutsche Geschichte hinterlässt tödliche Spuren in ihnen. Die Geschwister Georg und Felicitas, deren Familie aus Ostpreußen stammt, werden jung zu mittellosen Vollwaisen. Jetzt sind beide pensioniert und schenken sich nichts. "Staub und Schatten - welch Großeslärmen doch um die - Toten ist. Um die Lebenden Stille." hal

Reinhard Jirgl: Die Stille. Hanser, 535 S., 24,90 €.

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