Die Suche nach Widerhaken in der Stadtgesellschaft

Saarbrücken. Rabbiner Rülf? "Kennt doch keiner" stand in der Post an die Saarbrücker Baudezernentin Rena Wandel-Hoefer, nachdem der Stadtrat 2010 beschlossen hatte, die als Taxistandort, Bushaltestelle und Parkzone genutzte, zwischen Dudweilerstraße und Saar-Center gelegene Fläche im Rahmen der Umgestaltung der Berliner Promenade neu zu fassen

Saarbrücken. Rabbiner Rülf? "Kennt doch keiner" stand in der Post an die Saarbrücker Baudezernentin Rena Wandel-Hoefer, nachdem der Stadtrat 2010 beschlossen hatte, die als Taxistandort, Bushaltestelle und Parkzone genutzte, zwischen Dudweilerstraße und Saar-Center gelegene Fläche im Rahmen der Umgestaltung der Berliner Promenade neu zu fassen. Mit der Neugestaltung wird zugleich auf Anregung der Synagogengemeinde Saar ein Erinnerungsort an die unter der NS-Gewaltherrschaft ermordeten Juden geschaffen. Die Briefkommentare zeigen dabei gleichermaßen Schwierigkeit und Chance eines solchen Projektes.Es gibt im Land keine authentischen Orte, die sich mit Vernichtung und Deportation verbinden. Das rührt von der Sonderrolle des bis 1935 unter Aufsicht des Völkerbunds stehenden Saarlandes her und verbindet sich mit dem Rabbiner Friedrich Schlomo Rülf, der von 1929 bis 1935 in Saarbrücken wirkte. Er war am "Römischen Abkommen" mit dem Völkerbund beteiligt, das die "Nürnberger Rassengesetze" von den rund 4600 Juden im Land bis Februar 1936 fernhielt und ihnen die freie Ausreise ohne Aufgabe ihres Vermögens gewährte.

Das Fehlen eines konkreten Ortes bietet jedoch die Chance, mehr zu schaffen als einen meist aus der Stadt ausgelagerten Erinnerungsort samt seiner Erinnerungsrituale: "Nächster Halt: Rabbiner Rülf-Platz. Das ist alltägliche Erinnerung, nicht nur am 9. November und am 27. Januar", bemerkte Reinhard Purin, Direktor des Jüdischen Museums München im Hinblick auf die am Platz angesiedelte Bushaltestelle. Als Leiter des Symposiums "Erinnerungsort Rabbiner-Rülf-Platz" hatte er am Montag mit 26 Teilnehmern, darunter ausgewiesene Experten zum Thema Erinnern und Gedenken aus Deutschland und Österreich, sowie Vertretern der Saarbrücker Kunstkommission, von Verwaltung und Lokalpolitik sowie dem für die Dokumentation zuständigen Institut für aktuelle Kunst im Saarland, den "Rahmen festgelegt, wie man mit der Gestaltung des Rabbiner Rülf-Platzes umgeht". So bilanziert es Kulturdezernent Erik Schrader. Für die Wiener Kulturwissenschaftlerin Heidemarie Uhl liegt eine Chance darin, etwas zu schaffen, was die vorliegenden Erfahrungen im Umgang mit Erinnerungsorten einbezieht und über Saarbrücken hinaus beispielhaft sein könne. Der Vorsitzende der Synagogengemeinde Saar, Richard Bermann, sieht Saarbrücken "als Landeshauptstadt dazu prädestiniert", sich des Themas anzunehmen. Was nicht mit Monumentalität zu verwechseln ist: "Die Bedeutung liegt nicht in der Flächenausdehnung, sondern in der Zentralität des Ortes", betont die Baudezernentin. Für sie geht es darum, einen "Widerhaken im Bereich der Stadtgesellschaft verankern", der öffentliche Raum sei "auch Bühne für die Stadtgesellschaft", auf der nicht nur gefeiert werde, sondern auch ein "Austausch über Grundlagen ihres Zusammenlebens" stattfinde.

Ob dafür der gesamte Rabbiner-Rülf-Platz oder nur ein Teil genutzt wird, ist noch offen. Klären solle dies der Gestaltungswettbewerb, empfahl das Symposium. Rund ein Dutzend Künstler, die in diesem Themenfeld erfahren sind, werden dazu von Reinhard Purin und den anderen Referenten für einen Einladungswettbewerb vorgeschlagen. Dabei gehe es nicht um die "großen Namen", meint Purin. Als Eröffnungstermin habe man derzeit November 2013, den 75. Jahrestag der November-Pogrome ins Auge gefasst, so Purin. Für die künstlerische Gestaltung stehe "ein sechsstelliger Betrag bereit, wobei eine Zwei davor stehen wird", ließ Schrader wissen. Aber auch das könne sich im Fortgangs des Projektes ändern, so Wandel-Hoefer: "Wir lassen sehr vieles offen, auch beim Budget."

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