Die Schweiz zwischen Bürgerrecht und Sklaverei

Genf · So richtig beklagen können sich die meisten Schweizer nicht - zumindest dann nicht, wenn es ums Geld geht. Steuerlast und Arbeitslosenrate liegen seit Jahren weit unter dem europäischen Durchschnitt, Löhne und Gehälter weit darüber. Dennoch: Der Basler Unternehmer Daniel Häni will den Eidgenossen ein noch besseres Leben bescheren. Mit einem staatlich garantierten "Grundeinkommen " von 2500 Franken - monatlich und ohne Gegenleistung.

Am kommenden Sonntag werden die Schweizer über den revolutionären Plan entscheiden: Die Eidgenossenschaft ist nach Angaben Hänis das erste Land, das über ein bedingungsloses Grundeinkommen abstimmt. Der neue Artikel 110a in der Verfassung soll die wichtigsten Bestimmungen bündeln: "Der Bund sorgt für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens."

Während Regierung, Parlament, die Wirtschaft und selbst der Schweizerische Gewerkschaftsbund die Idee ablehnen, löst das utopische Konzept vor allem bei Querdenkern Zustimmung aus. Nicht nur in der Schweiz. Der frühere griechische Finanzminister Yanis Varoufakis sagte in einem Interview: "Die Schweiz ist ideal für Experimente mit dem Grundeinkommen ." Das Votum der Eidgenossen wird in jedem Fall Signalwirkung haben - egal ob sie die Pläne verwerfen oder gutheißen. Auch in anderen Staaten wie Deutschland wird das Grundeinkommen diskutiert.

Den Plänen zufolge soll jeder Erwachsene 2500 Schweizer Franken (derzeit rund 2260 Euro) erhalten - auch Ausländer sollen in den Genuss der Gabe kommen. Pro Kind soll der Staat rund 625 Franken (565 Euro) auf das Konto der Eltern überweisen.

Ein Beispiel: Verdient ein Versicherungsangestellter bisher 6000 Franken pro Monat brutto, so hat er diesen Betrag auch künftig zur Verfügung. Jedoch kommen die ersten 2500 Franken vom Staat. Die restlichen 3.500 Franken zahlt weiter der Arbeitgeber. In der Folge käme eine riesige Umverteilungsmaschine in Gang. Zwar würde die zu zahlende Lohnsumme für die Firmen schrumpfen. Aber: Der Staat müsste über höhere Steuern das Geld für das Grundeinkommen erst einmal hereinholen - auch bei den Firmen. Die Befürworter versprechen jedoch: Das Grundeinkommen ist ein "Nullsummenspiel". Mit anderen Worten: Das nötige Geld ist in der reichen Schweiz vorhanden, der Staat muss es nur gerechter verteilen.

Das Grundeinkommen soll andere staatliche Zahlungen wie Arbeitslosengeld ersetzen, nur darüber hinaus gehende Ansprüche bleiben bestehen. "Das Grundeinkommen ist keine Bezahlung, kein Lohn. Es ist an keine Gegenleistung geknüpft", erläutert Vordenker Häni.

Die bedingungslose staatliche Leistung versteht er vielmehr als ein "wirtschaftliches Bürgerrecht, das ein menschenwürdiges Leben" ermögliche. Die Regierung aber befürchtet: Das Projekt spaltet die Gesellschaft. Jedermann erhielte eine Unterstützung, "auch ohne einen Beitrag an die Gesellschaft zu leisten", erläutert Innenminister Alain Berset. Das benötigte Geld könnte der Staat zudem nur mit "exorbitanten Steuersätzen von 70 bis 100 Prozent" hereinholen, warnt der Ökonom Reiner Eichenberger von der Universität im Schweizer Freiburg. "Unter diesen Umständen muss man die Menschen zur Arbeit zwingen." Letztlich führe das Grundeinkommen in die "Sklaverei".

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