Die Schattenwirtschaft schrumpft

Tübingen. Durch die niedrige Arbeitslosigkeit wird in Deutschland so wenig schwarz gearbeitet wie seit 18 Jahren nicht mehr

Tübingen. Durch die niedrige Arbeitslosigkeit wird in Deutschland so wenig schwarz gearbeitet wie seit 18 Jahren nicht mehr. Weil man derzeit vergleichsweise leicht einen regulären Job bekomme, sei Schwarzarbeit für die Menschen nicht mehr so attraktiv wie noch vor einigen Jahren, sagte der Geschäftsführer des Instituts für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW), Bernhard Boockmann, gestern in Tübingen. Trotzdem geht das Institut in seiner Schattenwirtschaftsprognose davon aus, dass in Deutschland jeder siebte Euro am Fiskus vorbeigeschleust wird. Das Volumen der Schattenwirtschaft betrage in diesem Jahr rund 13,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.Unter Schattenwirtschaft verstehen die Experten vor allem Schwarzarbeit, aber auch alle kriminellen Aktivitäten. Für 2011 haben die Fachleute errechnet, dass 344 Milliarden Euro in der Schattenwirtschaft umgesetzt wurden. Das sind im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt 13,5 Prozent.

Die Politik sorge seit mehreren Jahren dafür, dass reguläre Beschäftigungsverhältnisse attraktiver geworden seien, sagten Boockmann und Schattenwirtschaftsexperte Friedrich Schneider von der Universität Linz. Allein durch die Senkung der Rentenbeiträge von 19,9 auf 19,6 Prozent werde die Schattenwirtschaft in diesem Jahr laut Prognose noch einmal um 650 Millionen Euro schrumpfen, weil reguläre Arbeit billiger wird. Noch entscheidender seien aber die niedrige Arbeitslosigkeit und das - wenn auch geringe - Wirtschaftswachstum. "Alle versuchen, in das bestmögliche Arbeitsverhältnis zu kommen. Wer eine reguläre Beschäftigung findet, hat in der Regel kein Interesse mehr an Schwarzarbeit", sagte Boockmann. Die Einführung des Mindestlohns in der Zeitarbeitsbranche verschaffe der Schwarzarbeit aber Aufwind, weil reguläre Arbeit dadurch teurer wird.

Bei Privatleuten wird besonders oft bei Handwerkerarbeiten rund um das Haus schwarz gearbeitet. Dahinter folgen Arbeiten im Haushalt, etwa als Putz- und Bügelhilfe, bei der Pflege oder Kinderbetreuung.

Unter den Mitgliedsländern der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) steht Deutschland im Mittelfeld. Negativer Spitzenreiter im Ländervergleich ist Griechenland, wo laut IAW fast 25 Prozent gemessen am Bruttoinlandsprodukt am Fiskus vorbeigeschleust werden. "Das trägt mit Sicherheit zu den großen Problemen bei, die Griechenland hat", sagte Boockmann. Das Sanierungsprogramm für den griechischen Staatshaushalt könne der Schwarzarbeit kurzfristig sogar noch Vorschub leisten. "Wenn die Abgaben auf den Faktor Arbeit erhöht werden, dann vergrößert sich die Schere zwischen Bruttoeinkommen und Nettoeinkommen - und damit steigt der Anreiz für Schattenwirtschaft", sagte der Volkswirt.

Ebenfalls stark ausgeprägt ist die Schattenwirtschaft in Italien mit 21,6 Prozent, in Portugal mit 19,4 Prozent und Spanien mit 19,2 Prozent. In den USA ist der Modellrechnung zufolge die Schattenwirtschaft wegen niedriger Abgaben mit 7,0 Prozent am geringsten.

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