Die Schattenfrau: Eurydike à la Jelinek

Essen. Zum Mythos "Orpheus und Eurydike" hat die Philharmonie Essen einen langen, dreiteiligen Abend zum Thema zusammengestellt, eine "Blicke- nicht-zurück-Sommernacht"

Essen. Zum Mythos "Orpheus und Eurydike" hat die Philharmonie Essen einen langen, dreiteiligen Abend zum Thema zusammengestellt, eine "Blicke- nicht-zurück-Sommernacht". Eine Oper, Monteverdis "L'Orfeo", steht neben einem Ballett, Patrick Delcroix' "Cherché, trouvé, perdu" - aber das reizvollste ist das Mittelstück, die Uraufführung des Stücks "Schatten (Eurydike spricht)" von Elfriede Jelinek. Sie untersucht den Mythos mit den Augen der Feministin.Orpheus ist Popstar. Mädchen beginnen hysterisch zu kreischen, wenn sie ihn sehen. Die Konnotationen zur Sexualität arbeitet Eurydike systematisch durch - die Beschimpfungen der jungen Mädchen sind eindeutig, deftig und Ausdruck heftigen Sexualneids. Das führt zu einem zweiten Schwerpunkt - der Reflexion über Schatten. Eurydike stand im Schatten ihres berühmten Gatten - das Schicksal so vieler Frauen berühmter Männer.

Nun ist Eurydike, nachdem sie gestorben ist, ins Land der Schatten gekommen. Sie verwandelt sich immer mehr vom Körper zum Schatten hin - eine intensive Reflexion Jelineks. Eurydike könnte endlich, im Land der Schatten ein Schatten unter anderen, eine Gleiche unter Gleichen werden. Weit ist sie schon ihrem Ziel, das Irdische abzustreifen, nahe gekommen, als sie inne hält. Ihr Mann zieht sie mächtig an. Präzise beschreibt Jelinek Eurydikes langsamen Wandel, dem sie unterliegt, je weiter sie den Weg zurück aus dem Dunkel durch die Dämmerung geht. Doch Orpheus liebt Eurydike nicht, er will sie besitzen; die Geschichte von der großen Liebe ist nichts als das Ergebnis phallischer Propaganda. ufi

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