Die Rückkehr der reinen Lehre

Nancy. Exotische Klangschwaden schwarzafrikanischer Provenienz steigen auf in der barocken Salle Poirel. In den Canto Negro mischen sich zupackende Jazzphrasierungen. Ein Stilbruch? Mitnichten - die Ouverture der Neuauflage der traditionsreichen "Nancy Jazz Pulsations" ist im Gange. Auf der Bühne steht ein gepriesenes Original des französischen Jazz

Nancy. Exotische Klangschwaden schwarzafrikanischer Provenienz steigen auf in der barocken Salle Poirel. In den Canto Negro mischen sich zupackende Jazzphrasierungen. Ein Stilbruch? Mitnichten - die Ouverture der Neuauflage der traditionsreichen "Nancy Jazz Pulsations" ist im Gange. Auf der Bühne steht ein gepriesenes Original des französischen Jazz. Bass-Großmeister Henri Texier (Fotos: SZ) bringt mit seinem "Nord Sud Quintet" die Klangwelten Afrikas und Europas zur köstlichen Fusion. Kaum einer passt so gut zum "Pulsations"-Konzept wie Texier. Der 66-jährige Pariser hat mehrere Kapitel moderner Jazzgeschichte mitgeschrieben. Und er liebt es, musikalische Grenzen einzureißen. Das Musikfest, das seit 1973 die lothringische Musiklandschaft in Wallung bringt, hat sich schon lange einer schier grenzenlosen stilistischen Vielfalt verschrieben. Was rund um den Globus klingt, swingt, rockt, rappt und bluest - im All-You-Can-Hear-Konzept der "Pulsations" findet es sein Plätzchen.In der noch bis zum nächsten Samstag, 15. Oktober, währenden Neuauflage der NJP werden zwar auch wieder musikalische Endverbraucher mit verschiedensten Vorlieben bedient. Der reine, der schiere, der unverfälschte Jazz darf aber endlich wieder die Hauptrolle auf den Bühnen der Pulsations spielen.

Mit der Entscheidung, dem Quartett des beachtlichen Luxemburger Vibraphonisten Pascal Schumacher und dem Ensemble von Henri Texier die Gestaltung der Eröffnung zu übertragen, hat Programmchef Patrick Kader nicht nur ein Bekenntnis zu Qualität abgelegt, sondern zugleich die Weichen für ein dezidiert jazzbetontes Festival gestellt. Zurück zu den eigenen Wurzeln.

Drohte der pure Jazz in den vergangenen Jahren in Nancys buntem Bottich universellen Klangschaffens unbeachtet zu versinken, wartet das aktuelle Pulsationsprogramm mit einer eindrucksvollen Phalanx musikalischer Spitzenkräfte des internationalen Jazz auf. Mit Hochkarätern wie Charles Lloyd, Chucho Valdes, Billy Cobham, Dan Berglund, Stefano Bollani, Manuel Rocheman, Stéphane Belmondo, Kirk Lightsey und China Moses melden sich die NJP im Kreise der großen Jazzfestivals zurück.

Gleich am Eröffnungsabend trafen auf der Bühne der Salle Poirel zwei Ensembles aufeinander, die - jedes auf seine Weise - die Faszination Jazz spürbar machten. Pascal Schumacher, im Saarland wohlbekannt, in Frankreich dagegen noch ein unbeschriebenes Blatt, stimmte das Auditorium mit seinem erfindungsreichen und phasenweise brillanten Bandkonzept bestens ein. Das durchweg aus Eigenschöpfungen bestehende Repertoire des Schlegelvirtuosen speist sich aus mehreren Quellen: Europäische Kammermusik mischt sich mit Rock, dann und wann mit swingendem Jazz. Frisches Musizieren mit Esprit und Geschmack, so macht man sich auch beim anspruchsvollen französischen Publikum Freunde. Pascal Schumacher darf wiederkommen.

Um die Profilierung seiner selbst braucht sich Henri Texier schon lange keine Gedanken mehr zu machen. Der Kult-Bassist mit dem opulenten Ton hat in den Rhythmusgruppen, in denen er seit jetzt mehr als 45 Jahren seinen Dienst versieht, immer gestanden wie eine Eiche. In den beiden vorigen Jahrzehnten verarbeitete Texier musikalisch die multiplen Erfahrungen, die er angelegentlich mehrerer ausgedehnter Afrika-Reisen gewonnen hat. Seine aktuelle Band - sie nennt sich "Nord Sud Quintet" - erreicht klanglich nicht ganz die Tiefe und verströmt wohl auch nicht ganz den melodischen Charme der Vorgänger-Truppe (Azur Quintet). Dennoch gelingt auch Texiers neuer Formation mit ihren zwei Saxophonisten (einer davon ist Texier-Sohn Sébastien), ihrem Gitarristen Manu Codjia und ihrem Drummer Christophe Marguet ein überzeugender musikalischer Brückenschlag.

Termine: Dienstag, Théatre Manufacture: China Moses & Raphael Lemonnier Trio und Manuel Rocheman Trio. Mittwoch, Chapiteau: Charles Lloyd 4tet und Chucho Valdes & the Afro Cuban Messengers. Donnerstag, Chapiteau: Dan Berglund's Tonbruket und Billy Cobham 5tet. Freitag, Théatre de la Manufacture: Stefano Bollani Trio und Stéphane Belmondo 4tet.

nancyjazzpulsations.com

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