"Die Rentenversicherung ist ein sicherer Anker in unsicheren Zeiten"

Herr Rische, mit einer Rücklage von fast 16 Milliarden Euro ist die Rentenkasse gut gepolstert

Herr Rische, mit einer Rücklage von fast 16 Milliarden Euro ist die Rentenkasse gut gepolstert. Können Sie sich getrost zurücklehnen?Rische: Mit dieser Nachhaltigkeitsrücklage, die ungefähr einer Monatsausgabe in der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht, lassen sich Einnahmeschwankungen sicher besser ausgleichen als noch vor Jahren, in denen das Polster wesentlich dünner war. Aber eine große Wirtschaftskrise könnte man damit auf Dauer sicher nicht abfangen.Aber die Rentenversicherung kommt bislang erstaunlich gut durch die Krise.Rische: Das hat in erster Linie mit unserem Finanzierungssystem zu tun. Wir sind nicht darauf angewiesen, auf den Finanzmärkten einen Großteil unseres Geldes anzulegen. Insofern ist die Finanzkrise an uns vorbeigegangen. Wie sich die Wirtschaftskrise auf die Rentenkasse auswirkt, können wir aber noch nicht endgültig abschätzen. Trotzdem ist es für die Menschen gut zu wissen, dass die Rentenversicherung ein sicherer Anker in unsicheren Zeiten ist.In der SPD wird über eine Abkehr von der Rente mit 67 debattiert. Was halten Sie davon?Rische: Das wäre das falsche Signal für die künftige Entwicklung der Rentenversicherung. Laut Gesetz wird im nächsten Jahr anhand der Beschäftigungsentwicklung bei den älteren Arbeitnehmern die schrittweise Einführung der Rente mit 67 nochmals überprüft. Schon in Anbetracht der alternden Gesellschaft kann man vor einer grundsätzlichen Rücknahme nur warnen. Wenn die erwerbsfähigen Menschen weniger werden und gleichzeitig länger leben, dann ist klar, dass auch die Betriebe eine verlängerte Lebensarbeit zu schätzen wissen. Sie werden das Personal dringend brauchen.Die Rente mit 67 entlastet die Rentenkasse, aber die neu eingeführte Rentengarantie führt zu Mehrbelastungen, weil die Rentenhöhe von der Lohnentwicklung abgekoppelt wird. Macht Ihnen das Sorgen?Rische: Mir würde es Sorgen bereiten, wenn die Rentengarantie eine dauerhafte Abkopplung der Renten von den Löhnen bedeuten würde. Für das kommende Jahr werden wir die Rentengarantie brauchen, um ein Minus für die Rentner zu verhindern. Aber keiner rechnet damit, dass es in den nächsten zehn Jahren ständig zu sinkenden Löhnen kommt. Insofern wird die Rentenkasse auch nicht überstrapaziert, zumal die unterbliebenen Dämpfungen nachgeholt werden müssen. Die Rentengarantie stärkt übrigens auch das Vertrauen in unser Rentensystem. Das sollte man nicht unterschätzen.Was sagen Sie einem Rentner, der sich beschwert, weil er 2010 und 2011 voraussichtlich zwei Nullrunden hinnehmen muss?Rische: Der Rentner sollte bei seinen Kindern nachfragen, wie sich deren Löhne entwickelt haben. Denn die Kinder müssen die Renten ja bezahlen. So funktioniert unser Umlagesystem. Wenn die Kinder Lohneinbußen haben, dann werden sie den Rentner daran erinnern, dass er wenigstens eine Rente auf dem bisherigen Stand hat. Das sollte man wissen, um wechselseitiges Verständnis aufzubringen.In der schwarz-gelben Koalitionsvereinbarung wird die Gefahr einer wachsenden Altersarmut beschrieben. Aber eine Lösung bleibt im Dunkeln. Unterschätzt die Politik das Problem?Rische: Von Altersarmut sind vor allem Niedriglöhner betroffen. Also kann man nur vor einer Ausweitung des Niedriglohnsektors warnen, denn ein lohnbezogenes Rentensystem, wie wir es haben, ist dafür nicht gemacht. Eine dramatische Ausweitung der Minijobs ist auch problematisch. Denn wenn man schon kaum seinen Lebensunterhalt bestreiten kann, dann ist für Rücklagen im Alter erst recht kein Spielraum da.Man könnte das Rentensystem in Richtung Grundrente ändern.Rische: Nein, es kann nicht der erste Weg sein, dass die Rentenversicherung gesellschaftliche Verwerfungen heilt. Erster Weg muss sein, den Niedriglohnsektor einzudämmen. Aber das ist Sache der Politik und nicht der Rentenversicherung.

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