„Die Partystimmung ist vorüber“

Völklingen · Der Stahlmanager Klaus Harste rechnet mit einem der schwierigsten Jahre in der Geschichte der deutschen und europäischen Stahlindustrie. Er rät, die Forschung massiv auszubauen. Auch der Standort Saarland könne sich weiter profilieren.

 Spezialstähle aus Dillingen sind gefragt, auch im Kesselbau. Die Stahlbranche hat immer mehr zu kämpfen. Foto: Dillinger Hütte

Spezialstähle aus Dillingen sind gefragt, auch im Kesselbau. Die Stahlbranche hat immer mehr zu kämpfen. Foto: Dillinger Hütte

Foto: Dillinger Hütte

. Die saarländische und deutsche Stahlindustrie hat gute Chancen, sich gegen weiter dramatisch zunehmende Überkapazitäten auf den weltweiten Stahlmärkten erfolgreich zu behaupten. Diese Ansicht vertrat gestern vor dem CDU-Wirtschaftsrat Klaus Harste, Geschäftsführer des Stahlunternehmens Max Aicher GmbH & Co KG in Freilassing. Von 2009 bis 2012 war Harste Chef der Saarstahl AG in Völklingen .

Harste rät dazu, die Wertschöpfungskette und die Kundenbindung auszubauen. "In Deutschland ist die gesamte Wertschöpfungskette vorhanden: vom Werkstoff Stahl bis zum Fertigprodukt." So könne man etwa mit der Autoindustrie neue Produkte und neue Fertigungsverfahren entwickeln. "Gerade der Leichtbau lässt sich mit Stahl sehr gut verwirklichen. Wir verfügen über hoch anspruchsvolle, verformbare Güten." Der Trend zur Gewichtsreduzierung im Fahrzeug und zu umweltschonendem Verbrauch sei längst nicht ausgeschöpft. Man könne das Fahrzeuggewicht, je nach Autotyp, noch zwischen fünf und 25 Prozent verringern.

Stahlhersteller seien gut beraten, die Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen an der Saar und bundesweit noch stark auszubauen. "Die deutsche Forschungs- und Entwicklungslandschaft ist die Beste in Europa." Helfen könne zudem, mehr Leistungen in das Unternehmen zurückzuholen, die zuvor ausgelagert wurden. Das stärke Liefer-Beziehungen mit Endkunden.

Dennoch müsse man sich von Illusionen verabschieden. "Die Partystimmung ist vorüber." Die Lage in der Branche drohe endgültig aus dem Ruder zu laufen. Weltweit seien 800 Millionen Tonnen Überkapazitäten auf dem Markt. China verfüge schon über Überkapazitäten in einer Größenordnung von 400 Millionen Tonnen. 130 Millionen davon gelangten auf die Weltmärkte, 140 Millionen seien angestrebt. Da fast alle Regionen als Reaktion inzwischen Zölle erheben, treffe es vor allem Europa als einem der letzten freien Märkte. Die Auslastung europäischer Stahlwerke liege aber auch schon im Schnitt nur noch bei 76 Prozent. Es drohten weitere Verschlechterungen. Eine Auslastung von nur noch 70 Prozent könne kein Stahl-Unternehmen längerfristig verkraften. Immer kürzere Auftragsbestände von in der Regel sechs Wochen sorgten für zusätzliche Belastungen. Wichtige Schwellenländer fielen für Investitionen weg, "weil sie sich im Rückwärtsgang befinden".

Als Beitrag zur Verbesserung der Rahmenbedingungen begrüßt Harste auch grundsätzlich den Plan der IG Metall , gegen die Brüsseler Umweltpläne mobil zu machen. Er hielte jedoch einen Protest in der Freizeit an einem Samstag für ein überzeugenderes Signal, verbunden mit einer Großdemonstration in Brüssel. Ein nationaler Aktionstag mit Arbeitsniederlegungen belaste dagegen vor allem die Stahlbetriebe mit zusätzlichen Kosten.

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