Die Münchner Schule geschwänzt

Wiesbaden · Wer die sehenswerte Ausstellung „Horizont Jawlensky“ in Wiesbaden besuchen will, muss sich sputen: Sie läuft noch bis Sonntag. Zu sehen sind vor allem Arbeiten des Russen, die als Reaktion auf Begegnungen mit anderen Künstlern entstanden.

 Ein Stillleben aus dem Jahr 1910. Foto: privat / Musuem Wiesbaden

Ein Stillleben aus dem Jahr 1910. Foto: privat / Musuem Wiesbaden

Foto: privat / Musuem Wiesbaden
 Ein Selbstbildnis aus dem Jahr 1904. Foto: Privatbesitz / Museum

Ein Selbstbildnis aus dem Jahr 1904. Foto: Privatbesitz / Museum

Foto: Privatbesitz / Museum

Den 150. Geburtstag Alexej von Jawlenskys feiert das Museum Wiesbaden, indem es den Einflüssen auf seine Kunst nachspürt. "Horizont Jawlensky" heißt die Ausstellung und betrachtet "Alexej von Jawlensky im Spiegel seiner künstlerischen Begegnungen 1900-1914" - sowie im Verhältnis zur Gefährtin und Kollegin Marianne von Werefkin. Effektvoll blitzen die vielfältigen Einflüsse auf seine Malerei auf.

Die Schau brennt in 15 Sälen das künstlerische Feuerwerk ab, das Jawlensky mit immer neuen Ansätzen zündet, bis er bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs sein Schwabinger Quartier überstürzt verlassen muss, was Folgen für seine Kunst hat. Mit Passion wird sein schöpferisches Bezugssystem offen gelegt: Wie der Maler vom zaristischen Russland auf verschlungenen Pfaden bis zum Genfer See gelangt, wie er von Äpfeln und Milchkrügen zu virtuosen Abstraktionen findet.

Mit kleinformatigen Porträts sowie Ganzkörperbildnissen versucht das Museum, dem Russen, der vor 80 Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft erhielt, 1921 in Wiesbaden ansässig wurde und dort 1941 starb, auf die Schliche zu kommen. Und stellt sein persönliches Umfeld dar: Da sitzt zunächst Alexandra Petrowna Medwedewa, die Mutter des Künstlers, an einem Tischchen, offenbar beschäftigt mit einer Handarbeit. Ilja Repin, der russische Realist, der Jawlenskys Talent früh erkannte, ist vertreten mit einem Bildnis von Marianne von Werefkin. Vermittelt durch Repin unterrichtete sie ihrerseits Jawlensky im Umgang mit Ölfarbe. Ihren Malstil um 1890 lässt der "Mann im Pelz" erkennen, ein impressionistisch grundiertes Bildnis, das wiederum Wilhelm Trübners ähnlich aufgefasster "Blondine mit Pelz" gegenüber gestellt wird. Ihren Schützling Jawlensky dagegen zeigt Werefkin - genannt "Russischer Rembrandt" - als Lichtgestalt im Smoking, die sich in einem kaum ausgearbeiteten "Programmbild für den Münchner Neubeginn", wie der Katalog das skizzenhafte Werk nennt, selbstbewusst aus schwarzer Umgebung schält.

Über die malende Baronin, mit der er 1886 eine Doppelwohnung in München bezieht, kommt der Künstler freilich auch in näheren Kontakt mit ihrem Dienstmädchen Helene. Der Katalog spricht von einer "verworrenen Ménage à trois". Helene erlaubt dem Maler schon im nächsten Saal zur Hochform aufzulaufen. Das Porträt der von ihm schwangeren Dienstmagd im flammend roten "spanischen Kostüm" bezeugt seine Freude an starken Farben. Flankiert wird das Bildnis der Frau, die er Jahrzehnte später in Wiesbaden heiraten wird, vom portugiesischen Bariton Francisco d'Andrade, gemalt von Max Slevogt, und einem Frauenbildnis von Edvard Munch. Lovis Corinth, Münchner Nachbar von Jawlensky, hält mit der Geigerin Margarete Kaufmann in einem aufregenden Rock mit, dessen Optik an Jasper Johns denken lässt. Ein Saal mit durchaus hochgestimmten Figuren.

Den Porträts folgt die Sektion Stillleben, jedes einzelne zum Niederknien. Alsdann schlängelt sich Jawlensky zwischen Paul Signacs Pointillismus und Paul Gauguins Flächenmalerei hindurch, um sich immer wieder zu häuten. Um 1903/04 stößt er auf van Gogh. Unübersehbar auch der Einfluss von Matisse. Es sind seine Reisen, Museumsbesuche und die persönlichen Begegnungen mit Kollegen von Franz von Stuck bis Ferdinand Hodler, die ihn in besondere künstlerische Winkel führen. "Ich suche wieder meinen Weg", schreibt er etwa 1905, "und all das verläuft weit ab von der breiten Straße der Münchner Schule". Dabei gelingt ihm Außerordentliches bis ins hohe Alter, als längst Krankheit sein Dasein trübt. Zuletzt fließt all sein Adrenalin in die serielle Malerei.

"Horizont Jawlensky" läuft noch bis zum Sonntag. Mittwoch von 10 bis 17, Donnerstag bis Sonntag bis 18 Uhr geöffnet. Infos: Tel. (06 11) 3 35 22 50, www.museum-wiesbaden.de .

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