Die Mission des Großverlegers

Frankfurt. "Beifall von Neonazis" lautet die "Bild"-Schlagzeile, "Die Welt" titelt "Der ewige Antisemit". Nach dem israelkritischen Gedicht von Günter Grass, das Anfang April für heftige öffentliche Diskussionen sorgte, wurden ihm seine Worte vor allem von Zeitungen des Springer-Verlags um die Ohren gehauen

 So titelte "Bild" am 8. Juni 1967. Die Frankfurter Schau zeigt mehrere vergrößerte Bild-Titel.Foto: dpa

So titelte "Bild" am 8. Juni 1967. Die Frankfurter Schau zeigt mehrere vergrößerte Bild-Titel.Foto: dpa

Frankfurt. "Beifall von Neonazis" lautet die "Bild"-Schlagzeile, "Die Welt" titelt "Der ewige Antisemit". Nach dem israelkritischen Gedicht von Günter Grass, das Anfang April für heftige öffentliche Diskussionen sorgte, wurden ihm seine Worte vor allem von Zeitungen des Springer-Verlags um die Ohren gehauen. Nicht nur, weil Grass wiederholt seine Verachtung für Springer ausgedrückt hat, sondern auch wegen der besonderen Bedeutung, die der Staat Israel für den größten deutschen Zeitungskonzern spielt.Daran erinnert die Ausstellung "Bild dir dein Volk! Axel Springer und die Juden", die derzeit im Jüdischen Museum Frankfurt zu sehen ist. Der 1985 verstorbene Verleger verpflichtet seit 1967 die Redakteure aller seiner Blätter zu Grundsatzpositionen. Die zweite von vier Richtlinien schreibt den Springer-Journalisten bis heute vor: "Das Herbeiführen einer Aussöhnung zwischen Juden und Deutschen, hierzu gehört auch die Unterstützung der Lebensrechte des israelischen Volkes."

Im Jüdischen Museum sind etliche vergrößerte "Bild"-Titelseiten zu sehen, die zeigen, wie dies in der Praxis aussieht. Zu Beginn des Sechs-Tage-Krieges im Juni 1967 geht es auf der kompletten ersten Seite um die "Schlacht um Jerusalem", die weiteren Überschriften "Israel ist nicht schuld" und "Es gibt keinen Weltkrieg" unterstreichen die Haltung des Blattes. "SIEG! Dajan - der Rommel Israels" ist eine andere Schlagzeile aus jener Zeit, die das Kunststück schafft, militärische Erfolge von israelischen Oberbefehlshabern und NS-Generälen in einem Atemzug zu feiern. Wie kommt Springer zu seiner israelfreundlichen Haltung? Eine Frage, die in der Ausstellung anhand von Briefen und Dokumenten zu klären versucht wird. Da wird Springers erste Ehefrau Martha Else Meyer erwähnt, die durch die Nürnberger Gesetze 1935 als Halbjüdin eingestuft wird. 1938 wird die Ehe geschieden - offiziell wegen eines Seitensprungs Springers. Tatsächlich hätte er es aber zu NS-Zeiten mit einer Halbjüdin als Frau vermutlich nicht bis zum stellvertretenden Chefredakteur der Hamburger Neuesten Zeitung gebracht.

Neben schlechtem Gewissen wird Springers religiöse Verwurzelung als Motivation genannt, für den Israel "eines jeden Christen zweites Vaterland" war. Und auch sein Anti-Kommunismus spielt eine wichtige Rolle - Israel als Bollwerk des westlichen Blocks gegen den Kommunismus.

Besonders interessant ist die Ausstellung, wenn es darum geht zu klären, wie man mit einer dezidierten Pro-Israel-Haltung im Nachkriegsdeutschland ein Millionenpublikum anspricht, das vor nicht allzulanger Zeit noch dem Antisemitismus anhing. "Bild" berichtet ausführlich über den Prozess gegen Adolf Eichmann und erklärt den Lesern im Dezember 1960, kurz nachdem der letzte Auschwitz-Kommandant Richard Baer verhaftet worden war: "Noch heißt es oft: ,Die Deutschen haben das getan.' Es ist ein Vorwurf gegen uns alle. Davon müssen wir freikommen. Wir - und unsere Kinder. Deshalb müssen die wirklich Schuldigen gesucht, gefaßt und abgeurteilt werden. Deshalb. Sie, die Eichmanns und die Baers, haben Verbrechen begangen. Sie sollen sühnen." Eine Haltung, die auch von den zahlreichen Ex-Nazis im Springer-Verlag geteilt wurde, die ihre Schuld so auf andere schieben konnten.

Ungeklärt bleibt in der Ausstellung Springers Haltung zu den Juden bis 1945. In einem Gutachten wird ihm attestiert, dass er keine antisemitischen Artikel in der NS-Zeit geschrieben hat. Das stammt allerdings von einem Springer-Journalisten, der selber tief ins Nazi-Regime verstrickt war. Bei der westdeutschen Linken wurde Springer spätestens nach der Erschießung des Studenten Benno Ohnesorg zum Feindbild. "Bild" hetzt gegen die Studentenbewegung. "Manche Fragen, die wir uns zu Beginn stellten, bleiben auch nach zwei Jahren einer intensiven Beschäftigung mit dem Thema ,Axel Springer und die Juden' offen", räumt Ausstellungskurator Dmitrij Belkin ein, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Fritz Bauer Instituts. Nicht zuletzt, weil er nicht im persönlichen Archiv von Axel Springer forschen durfte. Dennoch - eine sehenswerte Ausstellung.

 Axel Springer in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem (1966). Foto: Unternehmensarchiv Axel Springer AG

Axel Springer in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem (1966). Foto: Unternehmensarchiv Axel Springer AG

Läuft bis 29. Juli. Di-So: 10-17 Uhr. Mi: 10-20 Uhr.

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