"Die meisten drehen durch"

Gab es einen bestimmten Moment im Verlauf Ihrer Krankheit, an dem Sie gedacht haben: "Daraus muss ich einen Film machen"?Reiser: Ich war mit Schauspieler Seth Rogen auf einer Party und immer wieder fragten mich Leute, ob es nicht ein paar Sachen gäbe, die ich schon mein ganzes Leben lang machen wollte: eine Safari in Afrika, einen Löwen erschießen, in Ägypten die

 Der krebskranke Adam (Joseph Gordon-Levitt) und sein bester Freund Kyle (Seth Rogen). Fotos: Universum

Der krebskranke Adam (Joseph Gordon-Levitt) und sein bester Freund Kyle (Seth Rogen). Fotos: Universum

Gab es einen bestimmten Moment im Verlauf Ihrer Krankheit, an dem Sie gedacht haben: "Daraus muss ich einen Film machen"?Reiser: Ich war mit Schauspieler Seth Rogen auf einer Party und immer wieder fragten mich Leute, ob es nicht ein paar Sachen gäbe, die ich schon mein ganzes Leben lang machen wollte: eine Safari in Afrika, einen Löwen erschießen, in Ägypten die Pyramiden anschauen - so wie Jack Nicholson und Morgan Freeman im Film "Das Beste kommt zum Schluss". Aber das war das Letzte, was ich mir vorstellen konnte. Mir ging es dreckig, ich hatte keine Energie mehr, ich wollte nur zu Hause auf dem Sofa sitzen und Baseball schauen. Seth und ich haben uns über die Vorstellungen dieser Leute lustig gemacht und hatten die Idee, daraus eine Krebs-Komödie zu machen. Zuerst war es nur ein Witz, aber dann kamen immer mehr Einfälle dazu, und als es mir nach der Operation wieder besser ging, beschlossen wir, einen Film zu machen.

Wie nah bewegt sich der gute Freund, den Seth Rogen im Film spielt, an dem Freund, der Seth Rogen für Sie während der Krankheit war?

Reiser: Seth war und ist einer meiner besten Freunde. Ich habe in der Zeit, als ich Krebs hatte, gesehen, wie verschieden Menschen auf eine solche Krankheit reagieren. Dabei habe ich auch einige Freunde verloren, weil sie mit der Situation nicht umgehen konnten. Seth hatte auch keine Ahnung, wie er sich verhalten sollte, und hat sich manchmal idiotisch benommen. Aber er war da, wenn ich ihn brauchte.

Wie haben die meisten Menschen reagiert, als Sie Ihnen erzählt haben, dass Sie an Krebs erkrankt sind?

Reiser: Wenn man Leuten das erzählt, drehen die meisten einfach durch. Die erste Frage ist immer: "Woran hast du es gemerkt?" Dann erzählt man von den Symptomen und man sieht den Leuten an, dass sie am liebsten sofort einen Termin beim Arzt ausmachen würden.

Welche Reaktionen hätten Sie sich eher gewünscht?

Reiser: Wenn man krank ist, fühlt man sich ohnehin sehr isoliert. Im Körper mutieren die eigenen Zellen. In einem drin wächst dieses fremdartige Wesen, und keiner um einen herum kann nachvollziehen, wie sich das anfühlt. Deshalb will man mit so einer Krankheit einfach nur normal behandelt werden. Wenn die Leute plötzlich mit dieser mitleidserfüllten Babystimme auf einen einreden, macht es das alles nur noch schlimmer. Aber letztendlich wusste ich ja selbst nicht, wie ich mich verhalten sollte. Ich habe emotional dicht gemacht. Ich habe nicht mehr mit meiner Mutter geredet. Ich habe Erwartungen gehabt, die meine Freunde nicht erfüllen konnten. Ich war kein guter Mensch. Und das ist ein Schmerz, der bleibt, auch wenn der Krebs nicht mehr da ist.

Wie schwer ist es Ihnen gefallen beim Schreiben des Drehbuches zu diesen schmerzhaften Erfahrungen zurückzukehren?

Reiser: Ich habe zuerst versucht, Distanz aufzubauen. Aber dann habe ich mich mit bestimmten Erfahrungen konfrontiert und festgestellt, dass diese Auseinandersetzung eine enorme und lohnende Katharsis in Gang setzt.

"50/50" - der Titel beschreibt die Überlebenschancen der Hauptfigur. Haben Sie je darüber nachgedacht, Adam sterben zu lassen?

Reiser: Wir haben darüber gesprochen, manche Leute haben auch gesagt, dass es für die Wirkung des Filmes besser wäre, wenn er nicht überlebt. Aber das habe ich einfach nicht übers Herz gebracht. Schließlich habe ich ja selbst überlebt. Ich kann ja schon sehr zynisch sein, aber in diesem Fall wollte ich einfach auch ein Stück Hoffnung vermitteln. Und es nun einmal auch so: Man bekommt Krebs, und auch wenn man ihn überlebt, nervt er ungemein.

"50/50 - Freunde fürs (Über)Leben" startet morgen in der Saarbrücker Camera Zwo. Kritik morgen im treff.region.

Auf einen Blick

Neben "50/50" laufen sieben andere neue Filme in der Region an. Das Saarbrücker Filmhaus zeigt die argentinische Romanze "Medianeras" über zwei Menschen, die in gegenüberliegenden Wohnblocks in Buenos Aires leben - wie die beiden zueinander finden, wird hinreißend erzählt. Ebenfalls im Filmhaus läuft "Die Liebenden - von der Last, glücklich zu sein", ein bittersüßes Werk über Mann-Frau- und Mutter-Tochter-Beziehungen im Paris der 60er; charmant gemacht, mit Chanson-Einlagen, wenn auch mit 135 Minuten etwas zu lang. Die Camera Zwo (Sb) zeigt die französische Komödie "Väter und andere Katastrophen" über rivalisierende ältere Herren, gespielt von den gallischen Stars Gérard Jugnot und Francois Berléand. "Twilight"-Star Robert Pattinson spielt in "Bel ami" nach Guy de Maupassant (UT-Kino, Sb) einen rücksichtslosen Aufsteiger im Paris um 1890, der die Frauen ausnutzt - eine Art Anti-Romanze.

 AutorWill Reiser

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 Der krebskranke Adam (Joseph Gordon-Levitt) und sein bester Freund Kyle (Seth Rogen). Fotos: Universum

Der krebskranke Adam (Joseph Gordon-Levitt) und sein bester Freund Kyle (Seth Rogen). Fotos: Universum

 AutorWill Reiser

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Schwächer sind die Fortsetzung "Spy Kids 4D", der Teenie-Partyfilm "Projekt X" (beides im Cinestar, Sb) und der größer gestartete Krimi "The cold light of day", in dem ein US-Tourist in Madrid seine entführte Familie sucht; der Zuschauer findet vor allem formelhafte Actionszenen. red

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