Die Lust am Leckerbissen

Die Debatte um die Zukunft des "Soli" nimmt Fahrt auf, nachdem sich die Vorleute der Christenparteien darauf verständigt haben, den Solidarzuschlag ab 2020 "abzuschmelzen". Es ist ein schönes, nein: beschönigendes Wort, mit dem ein Wortbruch kaschiert werden soll.

Denn die Extra-Steuer, deren Anteil an den "blühenden Landschaften" im Osten durchaus zu würdigen ist, sollte ursprünglich nur ein paar Jahre erhoben werden. Bald feiert sie ihr 25-jähriges Jubiläum.

Arbeitnehmer unterhalb der 40 kennen gar nichts anderes, der Soli stand immer zuverlässig auf dem Lohnzettel. Dass es ihm jetzt doch noch an den Kragen geht, hat verfassungsrechtliche Gründe: Mit dem offiziellen Auslaufen des Solidarpakts im Jahr 2019 entfällt auch die politische Grundlage für diese Zwangsspende Ost. Wer sich darüber freut und darauf anstoßen will, sollte aber gleich ordentlich Wasser in seinen Wein gießen. Denn es wäre naiv zu glauben, der Staat könne ohne spürbare Folgen auf bis zu 20 Milliarden Euro Einnahmen verzichten.

Das Volk ist ja Zeuge des Gezeters. Gerade hat der Bundestag neue Hilfen für Griechenland bewilligt, die Bundeswehr braucht zusätzliche Milliarden, Bildung, Verkehr, Kindergeld , Kommunen: Es mangelt an allen Ecken und Enden, auch in der reichen Bundesrepublik. Zudem haben die Bundesländer Blut geleckt, sie erhoffen sich den großen Deal mit einer Art Ersatz-Soli. Im Gegensatz zu den Unionsgranden Merkel, Schäuble und Seehofer plädiert kaum ein Landespolitiker für ein tatsächliches Ende des Soli. Und weil die Länderfürsten beim Gedanken an diesen Leckerbissen ins Schwärmen geraten, soll die Kuh künftig unter anderem Namen Milch geben. Das mag dreist klingen, zumal die Steuerzahler ja ausdrücklich nur "vorübergehend" belastet werden sollten. Doch nach Abzug aller Illusionen bleibt eben die nüchterne Erkenntnis, dass ohne den Soli so manches politische Vorhaben zerbröseln würde. Die Gesetze der Natur sind nun mal stärker als die Gesetze des Bundes: Mit weniger Geld lässt sich das staatliche Leistungsniveau nicht erhalten, geschweige denn steigern. Diese Logik zu bestreiten ist sinnlos.

So deutet vieles darauf hin, dass der Soli dem Steuerzahler in irgendeiner Form erhalten bleibt. Einige Bundesländer (wie das Saarland) hoffen auf einen Altschuldenfonds, was absolut vernünftig wäre, weil der umstrittene Länderfinanzausgleich ja ebenfalls einer Neuregelung bedarf und somit positiv beeinflusst würde. Wenn politische Klugheit obsiegt, muss man also die "große Lösung" anstreben. Das geht aber nicht mit Kleingeist und Kirchturmdenken, sondern nur, um es mit den Worten des Landschaftsgärtners Kohl zu sagen, "mit Mut und Entschlossenheit."

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