Die Länder-Chefs ringen um neue Regeln für Zocker

Kiel. Nicht nur im Kampf gegen die Schuldenkrise liegen die Nerven blank. Auch das Ringen um einen neuen Glücksspiel-Staatsvertrag, den die Ministerpräsidenten der Länder bis morgen bei einer Konferenz in Kiel beschließen wollen, lässt manchen die Beherrschung verlieren

Kiel. Nicht nur im Kampf gegen die Schuldenkrise liegen die Nerven blank. Auch das Ringen um einen neuen Glücksspiel-Staatsvertrag, den die Ministerpräsidenten der Länder bis morgen bei einer Konferenz in Kiel beschließen wollen, lässt manchen die Beherrschung verlieren. "Sie glauben doch nicht, dass die anderen 15 Länder zusehen, wie Schleswig-Holstein wildert und alles zu sich holt", tönt der Chef einer deutschen Lottogesellschaft. Er empfiehlt notfalls Daumenschrauben, um das Nordlicht einzunorden. Dazu biete sich etwa der Länderfinanzausgleich an.Was den Lotto-Veteran in Rage bringt, ist die Neuregelung des Glücksspiels in Kiel. Im Alleingang verabschiedete das Bundesland im September ein Gesetz, das privaten Anbietern bislang unbekannten Spielraum eröffnet: Mit dem Segen der EU will Kiel ab März 2012 unlimitiert Lizenzen für Online-Sportwetten vergeben und auch Online-Casinos oder Online-Poker erlauben. Bestehende Werbeverbote werden weitgehend aufgehoben.

Der Rest der Republik denkt da ganz anders, und auf eine Einigung der 16 Länder deutet wenig hin. Klar ist nur, dass sich etwas ändern muss, weil der bestehende Glücksspielstaatsvertrag 2011 endet und Brüssel die bisherigen Änderungspläne der 15 anderen Bundesländer durchfallen ließ. Die EU verlangt eine Öffnung des Markts für private Anbieter. Im Brennpunkt der Diskussion stehen Sportwetten via Internet, die hier zu Lande bislang verboten sind. Gezockt wird trotzdem, über ausländische Anbieter. Knapp acht Milliarden Euro pro Jahr setzen Deutsche illegal bei Online-Sportwetten, schätzen Experten. Rund 200 Millionen Euro sind es legal beim staatlichen Anbieter Oddset.

Es geht um viel Geld. Die Bundesländer kassieren allein über ihre Lottogesellschaften im bestehenden System jährlich mehrere Milliarden Euro. Das erklärt den Versuch, die Konkurrenz klein zu halten. Außer Schleswig-Holstein wollen alle Länder die Zahl privater Anbieter für Sportwetten limitieren, eine Zahl zwischen sieben und 25 ist im Gespräch. Für die Besteuerung der privaten Konkurrenz würden Sätze zwischen vier und acht Prozent diskutiert, sagt ein Insider.

Für die Wettbewerber entscheidet dies über Wohl und Wehe. "Bei acht Prozent rechnet sich das nicht mehr", erklärt einer der großen Privatanbieter, die in den Startlöchern stehen. 90 Prozent der Einnahmen würden branchenüblich wieder an die Spieler ausgeschüttet. Bei acht Prozent Steuern bleibe für Werbung, Personal und eigene Profite nicht genug übrig. Was dann passieren würde? Klarer Fall: "Wir werden uns in Schleswig-Holstein eine Lizenz holen", heißt es bei vielen privaten Glücksspiel-Anbietern. Rund 30 Lizenz-Anfragen gibt es in Kiel bereits.

Die anderen 15 Länder zeigen sich im Vorfeld des heute beginnenden Treffens zuversichtlich, zu einem neuen Glücksspiel-Staatsvertrag zu finden, ohne auf die liberale Nord-Linie einzuschwenken. Aber auch Schleswig-Holstein bleibt standhaft. In Deutschland könnte es demnach bald zwei verschiedene Regeln für das Glücksspiel geben, was wiederum die EU auf den Plan rufen dürfte. Denn Brüssel pocht auf das Kohärenz-Prinzip, die einheitliche gesetzliche Regelung in einem EU-Staat. "Wetten, dass es auch nach Kiel kontrovers bleibt?", bietet ein Vertreter der privaten Glücksspiel-Branche halb launig, halb ernst als Wette an.

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