Die Kunst-Juwelen des Saarlandes

Saarbrücken · „Aufbaujahre. Das Saarlandmuseum 1952-1965“ lautet der Titel der neuen Schau im Wechselpavillon der Saarbrücker Modernen Galerie. Die Museumsgeschichte wird nicht durch Dokumente greifbar, sondern sinnlich erlebbar gemacht: durch eine Parade an Spitzenwerken.

 Tiermotive bilden eine Sammlungs-Linie, die sich in der aktuellen Schau gut ablesen lässt. Hier „Un oiseau dans l'arbre vert“ (1953) von Fernand Léger. Foto: VG Bild-Kunst, Bonn 2014

Tiermotive bilden eine Sammlungs-Linie, die sich in der aktuellen Schau gut ablesen lässt. Hier „Un oiseau dans l'arbre vert“ (1953) von Fernand Léger. Foto: VG Bild-Kunst, Bonn 2014

Foto: VG Bild-Kunst, Bonn 2014

Nirgendwo ein Foto von Rudolf Bornschein (1912-1988). Einmal mehr bleibt dieser bedeutende Mann, der 26 Jahre an der Spitze des Saarlandmuseums stand, eine Leerstelle. Ohne ihn gäbe es die Ständige Sammlung in dieser Form nicht, also auch nicht die aktuelle Ausstellung "Aufbaujahre", die die Anfangsjahre des Hauses bis zum Baubeginn der Modernen Galerie (1965-1978) beleuchtet. Es ist dies die legendäre Ära, in der Bornschein und Regierungsdirektor Hans Groh los zogen, um etwa beim Kunsthändler Probst in Mannheim in großem Stil einzukaufen.

Nur vom Feinsten oder Ausgefallensten, damit frappiert bereits die erste Wand im Wechselpavillon. Wir treffen auf Noldes wüste Farb- und Formen-Sprengung "Junge Ochsen" (1909), auf Dix' sonderbar eingefrorenes "Kindermaskenfest" (1947) oder die unwiderstehliche Morgentoiletten-Studie von Lovis Corinth ("Matinée", 1905). Wir haben sie wie viele andere gute alte Freunde vermisst: Seit 2011 sind sie wegen der Baumaßnahmen weggepackt.

Nun stellt die Schau die Spitzenbilder in eine ganz neue Nachbarschaft. Das Konzept folgt keiner Stilgeschichte, sondern der zeitlichen Abfolge von Bornscheins Ankaufpolitik bis 1965. Wirklich nachvollziehen lässt sich letztere mangels erläuternder Texte nicht. So wird beispielsweise der Stuttgarter Riesenfangzug von November 1954 - Bornschein und Groh brachten 31 (!) Werke von einer einzigen Ketterer-Auktion mit nach Hause - in Gänze ausgebreitet. Doch mitten durch die Dokumentation läuft eine Wand, die das Betrachten der gesamten Fülle verhindert. Das ist unlogisch, ja ärgerlich. Ästhetik ist aber dann doch nicht alles. Immerhin wurden zwei historische SR-Filme zur Modernen Galerie eingebaut.

Der Schönecker-Bau war die Krönung von Bornscheins Einkaufs-Fleiß: Seine Schätze brauchten ein repräsentatives Domizil. Denn so lautete der Auftrag zunächst, von 1952 bis 1955: Er sollte im Auftrag der Regierung Johannes Hoffmann, der einen autonomen Saarstaat anstrebte, eine international konkurrenzfähige Sammlung moderner Kunst aufbauen. Gekauft wurde die "klassische" Moderne - eine Wiedergutmachung für die unter den Nazis verfemten Avantgarden. Das war nicht zur Freude konservativ-nationalistischer Kreise um den DPS-Politiker Heinrich Schneider, es kam zum Kulturkampf um die Ausrichtung des Museums, zum "Blaue-Pferdchen"-Skandal (1956). Es war eine Zäsur. Bornschein verlor seinen Mitstreiter Groh, eine Ankaufkommission wurde gebildet. Weil die Preise für impressionistische und expressionistische Werke gestiegen waren, orientierte man sich in Richtung zeitgenössische Abstraktion.

Nay, Hartung, Trier, Sonderborg stießen zur Sammlung, das markiert den Start der Informel-Sammel-Linie. Man erfährt es hier ganz sinnlich und unmittelbar. An dieser Stelle ließe sich gleich rüber wechseln in die parallel laufende Ausstellung "2000+" über die Neuerwerbungen des Hauses seit 2000. Sofort verstünde man ihn besser, den vermeintlich unscheinbarsten und zugleich kostbarsten Ankauf der jüngsten Zeit: "Tiges" (1946) von Wols - einem Pionier des Informel.

Andererseits wäre das Verlassen des Wechselpavillons ein Fehler, denn jede Minute mit den Juwelen der Sammlung ist ein Geschenk. Wobei Kuratorin Eva Wolf mit ihrer Hängung punktuell kleine Wunder glücken. Selten entwickelte sich ein derart subtiler, munterer Dialog zwischen Farben, Formen und Motiven, entfaltete sich ein kraftvolleres Gesamtstrahlen. Ein Beispiel? Archipenkos eckige Linien im "Tanz" verbinden sich mit dem kantigem Strich Kirchners in den "Badenden" zu einer rhythmischen Komposition, während die Gelbtöne mit Feiningers magischem Licht ("Lüneburg") zusammenfinden. Ja, sie ist herrlich, diese neue Parade der alten Meisterwerke, gehängt auf erdigem Grau, edel und exquisit die Anmutung. Reine Augenmenschen sind hier wunschlos glücklich.

Bis 11. Mai. Geöffnet: Di, Do-So, 10-18 Uhr, Mi bis 20 Uhr.

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