Bildende Kunst Die Kunst des Sammelns und Sehens

Neunkirchen · Die Städtische Galerie Neunkirchen zeigt neue Arbeiten der saarländischen Künstlerin Mane Hellenthal.

 Mane Hellenthals in Neunkirchen ausgestellte großformatige Arbeit „Berg 37 (Aletschgletscher)“ aus der Serie „Biografische Berge“ (Acryl auf Leinwand, 120 x 170 cm). 

Mane Hellenthals in Neunkirchen ausgestellte großformatige Arbeit „Berg 37 (Aletschgletscher)“ aus der Serie „Biografische Berge“ (Acryl auf Leinwand, 120 x 170 cm). 

Foto: Städtische Galerie Neunkirchen/Raphael Maass

Wer viel zu zeigen hat, braucht den richtigen Raum dafür. Für Mane Hellenthal (Jahrgang 1957), Saarbrücker Konzeptkünstlerin mit großer Sammelleidenschaft für alles Persönliche, sind deshalb die noch recht neuen Räume der Städtischen Galerie in Neunkirchen ein Glücksfall. Sie bietet ihr Platz genug, sich etwa in einer 11 Mal fünf Metern großen Installation, Teil ihrer Einzelschau „Unbeständiger Ausblick“, kreativ auszutoben. Selbst getragene Kleidungsstücke und Stoffe hat sie dafür auf für ihre Kunst typische kleinformatige Keilrahmen aufgezogen. Man erkennt durchlöcherte Stoffe, Woll-Rollkragen, aber auch gepunktete Baby-Bälle ragen von der Wand. Wie Puzzelteile oder Zahnräder greifen diese zu Kunst gewordenen Erinnerungsstücke aus ihrem Leben ineinander und ergeben eine bunte Wandinstallation. Intuitiv entstanden sei diese große Arbeit, erzählt Mane Hellenthal.

Und keine Konzeptkunst. Anders als die zweite neue, in Neunkirchen gezeigte Installation, bei der Hellenthal den Grundriss eines riesigen Gefängnis-Komplexes im US-Bundesstaat Illinois mit über 1000 bunten, ebenfalls auf Keilrahmen aufgezogenen Stoffen nachgebaut hat. „Alle diese Stoffe stammen von Kleidungsstücken, die ich oder jemand, den ich kenne, getragen haben“, erläutert sie. Und so hat die Künstlerin zu jedem der Bezüge einen ganz persönlichen Bezug. Er steht hier in krassem Gegensatz zum Konzept einer Strafanstalt, in der Individuen zu einer Masse uniformierter Insassen verschmelzen.

Motivisch bietet die Schau Kennern von Hellenthals Werk kaum Neues. Es sind die Leitbilder und Fundstücke aus dem Leben der Künstlerin, die sie in lange angelegten Serien immer wieder aufs Neue künstlerisch verarbeitet und variiert. Das tut der hohen Qualität keinen Abbruch, im Gegenteil. Aus der beeindruckenden Serie „Biografische Berge“ sind Arbeiten zu sehen, darunter eine ganz Neue („Berge 37, Aletschgletscher“) die Hellenthals Bergwelt-Obsession in Grau- und Schwarztönen plastisch macht. Monatelang male sie an einem solchen aus vielen pixelartigen Mini-Farbflächen bestehenden Bild. Auch Werke aus der Serie „Provinzielle Gebäude“ zeigt sie. Sie greifen ihr Interesse an Architektur als Gegenpol zu den Naturmotiven auf. Futuristische, aber real existierende Architekturen setzt Hellenthal in ihre surrealen, zerklüfteten Landschaften, die wiederum in Marmoriertechnik entstehen und quasi per Zufall eine wunderbar organische Struktur entwickeln. Wer hinsieht, entdeckt vereinzelt eine menschliche Figur oder ein Tier, verloren in überwältigender Natur. Mit der Marmorier-Technik hat Mane Hellenthal in einem großen Wasserbassin im heimischen Garten experimentiert: Auf zwei mal ein Meter großen Papierbahnen ist es ihr gelungen, marmorierte Bergformen zu schaffen. Schöner sind aber ihre zum Teil düsteren Baum-Bilder. Immer gibt es einen Bezug zur Realität, denn die auf marmoriertes Papier gemalten fragilen Baumformen und Ast-Fragmente basieren auf fotografischen Vorlagen. „Ich habe meine Kamera immer dabei. Oft bin ich auf ein einziges Thema wie hier die Bäume fixiert“, erzählt Hellenthal.

Portraits dürfen in einer Hellen
thal-Schau nicht fehlen. In Neunkirchen zeigt die Künstlerin eine Installation mit kleinformatigen, verfremdeten Portraits und Szenen, die allesamt direkten Bezug auf ihre eigene Biografie nehmen. Die Bilder sind auf einer großen Wand mit einer Art Schattenriss dreier wilder galoppierender Pferde scheinbar wahllos durcheinander aufgehängt. Da nimmt Eva Perón Bezug auf Hellenthals zweijährigen Aufenthalt in Argentinien. Patti Smith und Jim Morrison grüßen als Jugendidole. Andere Motive – wie zum Beispiel ein verfremdeter Schnappschuss aus ihrer Tanzschulzeit – sind nur der Künstlerin bekannt.

All das muss man nicht wissen, um Mane Hellenthals Kunst wertzuschätzen. Ihre Berge sind einfach überwältigend. Wahre Sehnsuchtsorte. Und in ihren Installationen findet jeder Betrachter mindestens ein Stück, das eine Saite anschlägt. Letztendlich sind wir alle Jäger, Sammler – und Wanderer.

Bis 8. Oktober. Mi-Fr 10-18 Uhr, Sa 10-17 Uhr. So 14-18 Uhr.

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