Die Kunst des Erzählens

Saarbrücken · Einen Blick auf das asiatische Kino bieten ab heute die „Japanischen Filmtage“ im Saarbrücker Filmhaus. Eine Dokumentation schildert ein Kapitel deutsch-japanischer Geschichte, fünf Spielfilme erzählen Dramen, Familien- und Liebesgeschichten. Höhepunkt soll eine Aufführung mit Musik und einem japanischem Kino-Erzähler werden, einem „Benshi“.

 „Tokyo Family“ (großes Bild) erzählt von Spannungen zwischen den Generationen. Der Klassiker „Rashomon” (oben) schildert ein Verbrechen aus verschiedenen Perspektiven. Der Animationsfilm „5 centimeters per second“ ist eine Liebesgeschichte. Fotos: Filmhaus

„Tokyo Family“ (großes Bild) erzählt von Spannungen zwischen den Generationen. Der Klassiker „Rashomon” (oben) schildert ein Verbrechen aus verschiedenen Perspektiven. Der Animationsfilm „5 centimeters per second“ ist eine Liebesgeschichte. Fotos: Filmhaus

Das Wort "Schattendasein" ist vielleicht übertrieben - aber man kann durchaus sagen, dass das japanische Kino in seiner gesamten Breite im deutschen Kino bislang unerschlossen ist. "Godzilla", "Die sieben Samurai", "Im Reich der Sinne" mögen bekannt sein, auch Animationsfilme wie "Prinzessin Mononoke". Aber jenseits dessen laufen japanische Filme eher auf Festivals denn im üblichen Kinobetrieb.

Das Saarbrücker Filmhaus zeigt nun fünf herausragende Werke des japanischen Kinos und eine deutsche Dokumentation , die heute um 19.30 Uhr den Anfang macht: "Feinde / Brüder" von Brigitte Krause. 1914 greift im Ersten Weltkrieg das mit England verbündete Japan die deutsche Kolonie Tsingtau in China an. 5000 deutsche Soldaten geraten in japanische Gefangenschaft. 900 von ihnen werden nahe dem Dorf Bando in einem Lager untergebracht. Ein überraschender kultureller Austausch zwischen den Gefangenen und den Dorfbewohnern beginnt - heute ist Bando in Japan ein Symbol von Verständigung. Die Regisseurin wird im Filmhaus nach der Vorführung über ihre sehenswerte Doku sprechen.

Die Reihe, entstanden unter anderem mit der Deutsch-Japanischen Gesellschaft in Saarbrücken, dem Japanlektorat der Saar-Uni und dem Generalkonsulat von Japan in Frankfurt, zeigt Filme von weltweit bekannten Regisseuren: etwa das raffinierte Drama "Rashomon" (1953) von Akira Kurosawa , das die Geschichte eines Verbrechens aus verschiedenen Perspektiven erzählt. Oder auch "Die Reise nach Tokyo" (1953) von Yasujiro Ozu , der seine Geschichten schlicht und in aller Ruhe, aber nie langweilig schilderte. Ozus "Reise nach Tokyo" wird in "Tokyo Family" (2013) noch einmal aufgegriffen - halb Remake, halb Hommage, ein interessanter Vergleich. Beide Filme erzählen von brüchigen Familienstrukturen und höflicher Routine, hinter der sich Gleichgültigkeit verbirgt.

Den ungewöhnlichsten Kino-Abend der Reihe verspricht die Aufführung des Films "Die weißen Fäden des Wasserfalls": ein Stummfilm von 1933, der mit Live-Musik und einem Erzähler gezeigt wird, wie es lange in Japan Tradition war. Die Rolle des Erzählers, des "Benshi", übernimmt Hideki Yamaguchi, Lektor für Japanisch an der Universität des Saarlandes . "Benshi bedeutet so etwas wie eloquenter Gelehrter", erklärt er. "Die Kunst des Erzählers ist in Japan beim Theater sehr gepflegt worden und wurde dann für den Stummfilm übernommen." In der Blütezeit 1930 habe es in Japan 8000 Benshis gegeben, ausschließlich Männer, die selbst prominent waren, ihr Stammkino hatten und nicht nur erzählt und erklärt, sondern auch Stimmen gesprochen und Geräusche gemacht haben. "Vielen Kinogängern war der Benshi wichtiger als der Film selbst."

Es war eine Kunst, von der man gut leben konnte, "ein Benshi hat mehr verdient als ein mittelprächtig erfolgreicher Schauspieler." Heute gibt es laut Yamaguchi noch zehn Benshis in Japan (darunter mittlerweile Frauen), die die Kunst noch in Sondervorführungen pflegen. Yamaguchi wird als japanischer Erzähler vor allem am Anfang und Ende zu hören sein. Musikalisch begleiten wird Atsuko Futakuchi mit ihrer Ryuteki, einer japanischen Querflöte. Zu sehen ist diese ungewöhnliche Aufführung am Samstag ab 19.30 Uhr.

 HidekiYamaguchi

HidekiYamaguchi

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HintergrundDie Termine: Heute läuft die Doku "Feinde / Brüder", morgen "Die Reise nach Tokyo", am Freitag "Tokyo Family", am Samstag "Die weißen Fäden des Wasserfalls" - mit Musik und Erzähler . Die Filme beginnen um 19.30 Uhr. Am Sonntag endet die Reihe mit dem Animationsfilm "5 centimeters per second" (17.30 Uhr) und mit Akira Kurosawas "Rashomon" (19 Uhr). Vor "Rashomon" geben Studenten der Uni Saarbrücken eine Einführung. Alle Filme laufen im Original mit Untertiteln. Unabhängig von der Reihe zeigt die Saarbrücker Camera Zwo ab morgen den neuen Animationsfilm von Hayao Miyazaki: "Wie der Wind sich hebt". tok

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