Die Jagd nach den Gespenstern des Krieges

In seinem Film „Der Staat gegen Fritz Bauer“ erzählt Lars Kraume die reale Geschichte des Generalstaatsanwalts Fritz Bauer (1903-1968), der ehemalige NS-Verbrecher aufspürte und maßgeblich das Zustandekommen der Frankfurter Auschwitzprozesse ermöglicht hat. SZ-Mitarbeiter Martin Schwickert hat mit Regisseur Lars Kraume gesprochen.

 Burghart Klaußner als Staatsanwalt Bauer. Foto: Menke /Alamode

Burghart Klaußner als Staatsanwalt Bauer. Foto: Menke /Alamode

Foto: Menke /Alamode

Sie sind Jahrgang 1973. Wann ist Ihnen der Name Fritz Bauer zum ersten Mal begegnet?

Kraume: Erstaunlicherweise erst vor fünf Jahren, als mein Co-Autor Olivier Guez sein Buch "Heimkehr der Unerwünschten" veröffentlichte. Darin ging es um die Rückkehr der Juden nach Deutschland nach 1945. Da tauchte auch im Zuge der Auschwitz-Prozesse der Name Fritz Bauer auf. Wir wollten im Film die schizophrene Situation der 50er Jahre zeigen: wo einerseits das Wirtschaftswunder boomte und andererseits die Gespenster des Krieges noch an jeder Ecke sichtbar waren.

Warum haben Sie sich auf das Lebenskapitel beschränkt, in dem Bauer die Ergreifung Adolf Eichmanns vorantreibt?

Kraume: Weil aus interessanten Biografien erstaunlich oft sehr langweilige Filme werden, weil sie zu einer Anhäufung interessanter Fakten werden. Wir haben uns auf das Kapitel Eichmann beschränkt, und gerade diese Beschränkung gab uns die Freiheit, auch wirklich etwas über Fritz Bauer zu erzählen. Dass er entscheidend an der Ergreifung Eichmanns beteiligt war, wusste bis 1978 fast niemand und ist auch heute wenig bekannt.

Sein Ziel, Eichmann in Deutschland vor Gericht zu stellen, hat Bauer nicht durchsetzen können. Wie hätte ein Eichmann-Prozess in Deutschland ausgesehen?

Kraume: Bauer ging es ja um den gesellschaftlichen Prozess, den dieses Gerichtsverfahren in Deutschland hätte auslösen können. Er hätte den Prozess dazu benutzt, all die Nazis zu benennen, die in der Bundesrepublik leitende Positionen innehatten.

Sehen Sie Bauer auch als Wegbereiter der Studentenrevolte?

Kraume: Sicher. Frankfurt war für die Studentenbewegung auch deshalb so ein reges Pflaster, weil dort Vordenker wie Bauer oder auch Adorno lebten. Bauer war allerdings von der Militanz der Studentenbewegung ganz und gar nicht begeistert. Und der neue Antisemitismus, der aufgrund der Nahost-Politik Israels aufkam - das war für Leute wie Bauer schrecklich.

Bauer war homosexuell. Wie sind Sie mit diesem Aspekt seiner Biografie im Film umgegangen?

Kraume: Anhand von Bauers Homosexualität konnten wir vor allem zwei Dinge zeigen: Zum einen die Opferbereitschaft dieses Mannes, der sich für seine Ziele die eigene Sexualität versagte. Bauer konnte es sich in seiner Position nicht leisten, sich als Homosexueller strafbar zu machen. Darüber hinaus vermittelt dies auch ein Gefühl für die Zeit, in der Homosexualität nach dem berüchtigten Paragrafen 175 in der von den Nazis verschärften Form kriminalisiert wurde. Hier zeigt sich, dass die junge BRD sich noch längst nicht von den Moralvorstellungen des Dritten Reichs frei gemacht hatte.

Der Film startet morgen in der Camera Zwo (Sb), Kritik im treffregion. Am Sonntag kommen Regisseur Kraume und Schauspieler Burghart Klaußner zu der 20-Uhr-Vorstellung in die Camera.

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