Die fantastische Euro-Armee

Die Idee einer europäischen Armee ist nicht neu. Schon vor 200 Jahren hatte Napoleon Soldaten aus ganz Europa versammelt. Sie kämpften unter der französischen Flagge für ein Großreich, das vom Ural bis zur Atlantikküste reichen sollte.

Des Kaisers Euro-Truppen wurden im eisigen russischen Winter 1812 gestoppt, Leipzig und Waterloo gaben der Machtmaschine aus Paris dann den Rest.

Heute ist es eine Machtmaschine aus Moskau, die das Thema aktuell macht. Zwar wird im modernen Europa seit geraumer Zeit an einer europäischen Eingreiftruppe gebastelt, doch zustande gekommen sind bisher nur eine deutsch-französische Brigade von 6000 Mann und das "Eurokorps", eine Eingreiftruppe, an der neun europäische Staaten beteiligt sind. Außerdem gibt es natürlich die Nato sowie unter dem Dach der Uno die "Blauhelme", die sich weltweit um die Einhaltung von Friedensvereinbarungen kümmern.

Ob EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bei seiner Forderung nach einer "europäischen Armee" an den Ernstfall in der Ukraine gedacht hat, wissen wir nicht. Wir wissen aber, dass er gegenwärtig von mehreren Seiten unter Druck steht (unter anderem wegen Lux- Leaks) und ein Ablenkungsmanöver gut gebrauchen kann. Und wir wissen, dass sein Appell ein bisschen naiv ist. Denkt man das Modell nämlich zu Ende, tauchen unter dem Tarnnetz der Politik Probleme auf, die schlicht nicht lösbar sind. Jedenfalls so lange nicht, wie Brüssel nur in Sonntagsreden das Symbol einer Interessengemeinschaft ist.

Denn wie soll eine EU, die sich nicht mal auf eine harmonische Wirtschafts- und Steuerpolitik einigen kann, eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik zustande bringen? Wie soll Europa, das unter Währungsunion und Stabilitätspakt knirscht und tief gespalten ist in Freunde und Feinde der strengen (deutschen) Austeritätspolitik, hier eine Konsenslinie finden? Der Blutdruck der Union wird derzeit durch die Geldpolitik der EZB reguliert, nicht durch Überzeugungen oder gar Werte. Diese können zudem rasch relativiert werden, wie man in Budapest und Athen sieht, wo offen mit der russischen Karte gepokert wird - gegen die eigene EU-Familie.

Gewiss, eine Euro-Armee ist diskussionswürdig, zumal die nationalen Kleinarmeen im Ernstfall ja nicht ernst genommen werden. Eine "Einheitsarmee" ließe sich sogar als Wunderwaffe verkaufen, die viel Geld einsparen und Europa zugleich machtpolitisch aufwerten würde. Doch bevor es politisch keine klare Abgrenzung zur Nato gibt, bevor insbesondere die sensible Frage des Vetorechts der Nationalstaaten nicht definitiv geklärt ist, braucht man sich über eine Fantasie-Armee Juncker'scher Prägung keine ernsthaften Gedanken zu machen.

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