SZ-Analyse Die Energiewende wird für Altmaier zum Problem

Berlin · Es war einer dieser typischen Altmaier-Sätze. „Ich verspreche Ihnen: Wenn ich ein halbes Jahr im Amt bin, werde ich jede problematische Leitung persönlich kennen und besucht haben“, sagte der Wirtschaftsminister in seiner bisweilen jovialen Art. Das war im März im Bundestag, kurz nach seinem Amtsantritt.

 Kümmert sich Peter Altmaier zu wenig um die Energiewende?

Kümmert sich Peter Altmaier zu wenig um die Energiewende?

Foto: dpa/Carsten Koall

Das Protokoll verzeichnet „Heiterkeit“. Die Botschaft: Altmaier kümmert sich um die Energiewende und den Netzausbau.

Für den Saarländer aber dürfte es schwierig werden, das Versprechen mit den Leitungen zu halten. Der CDU-Mann ist fünf Monate im Amt – und steht in der Energiebranche zunehmend in der Kritik. Hinter den Kulissen ist von „Stillstand“ die Rede. Auch beim Koalitionspartner SPD wird man ungeduldig. „Durch sein zögerliches Handeln sind Minister Altmaier leider wichtige Monate verloren gegangen“, kritisiert der Energiepolitiker Bernd Westphal.

Altmaier will nun in die Offensive gehen. Diese Woche steht eine dreitägige „Netzausbaureise“ mit Stationen in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen an. Der Minister besucht Kraftwerke, Leitungen und Erdkabel-Baustellen und sucht den Bürgerdialog. Vor allem will er morgen in Bonn zusammen mit der Bundesnetzagentur einen Aktionsplan vorstellen, um den Ausbau der Netze zu beschleunigen – die Achillesferse der Energiewende. Es geht um Planungs- und Genehmigungsverfahren und vor allem um Akzeptanz in der Bevölkerung. Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist enorm vorangeschritten, ihr Anteil soll weiter massiv steigen. Bis 2022 wird das letzte Kernkraftwerk abgeschaltet sein. Die Entwicklungen haben massive Folgen für das Stromnetz, das an seine Kapazitätsgrenze zu kommen droht.

Der Windstrom wird vor allem an den Küsten produziert, er muss in die großen Industriezentren im Süden und Südwesten transportiert werden. Dafür werden neue Stromleitungen gebraucht, es geht um Tausende von Kilometern. Die zentralen neuen Stromautobahnen Südlink und Südostlink, die Milliarden kosten, sollen bis 2025 fertig sein. Das Planfeststellungsverfahren steht noch aus, erst dann wird über den genauen Verlauf der Trassen entschieden werden, die meist unterirdisch verlaufen. Diese Erdkabel kamen vor allem auf Druck Bayerns. Das ist zwar deutlich teurer, soll aber die Akzeptanz bei der Bevölkerung erhöhen – Stichwort: „Monstertrassen“.

Die Genehmigungsverfahren für die zentralen Stromautobahnen liegen laut Bundesnetzagentur im Zeitplan. Da sind aber noch die zig anderen neuen Leitungen. Und vor allem dort hakt es. „Es geht leider nur im Schneckentempo voran“, sagt Stefan Kapferer vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft. Mit Blick auf das Bundesbedarfsplangesetz seien von ursprünglich bis Ende 2017 fertigzustellenden 1435 Kilometern Stromleitungen nach dem ersten Quartal 2018 gerade 150 Kilometer realisiert worden. „Zu den größten Problemen gehört, dass einige politische Akteure vor Ort Stimmung gegen den dringend notwendigen Leitungsausbau machen, statt für ihn zu werben“, schimpft Kapferer.

Auch in Cloppenburg in Niedersachsen hat sich längst Protest formiert. Rolf Fahrenholz, Vorsitzender der Bürgerinitiative „Cloppenburg unter Spannung“, sagt: „Wir sind für die Energiewende, allerdings ist die Umsetzung falsch. Wenn wir hier Riesen-Strommasten hingesetzt bekommen, dann müssen noch unsere Kinder und Enkel damit leben. Das interessiert aber die Bundespolitik wenig.“ Am Donnerstag kann Fahrenholz das dem Wirtschaftsminister direkt sagen – Altmaier will zum Abschluss seiner Reise in Cloppenburg mit Bürgern reden.

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