„Die Deutschen sind sehr qualitätsbewusst“

Die Stiftung Warentest gibt es seit 50 Jahren. Heute findet aus diesem Anlass in Berlin ein Festakt statt. Das erste „Test“-Heft erschien 1966. Darin ging es um Nähmaschinen und Stabmixer. Seit ihrer Gründung hat die Stiftung in mehr als 5000 Tests etwa 100 000 Produkte geprüft. Die Ergebnisse werden jedes Jahr in rund 8,4 Millionen Heften veröffentlicht. Über die Stiftung und ihre Herausforderungen sprachen wir mit Vorstand Hubertus Primus. Das Gespräch mit ihm führte SZ-Redakteur Lothar Warscheid.

Herr Primus, Verbraucherschutzminister Heiko Maas (SPD ) will Produkttests transparenter machen. Ist das eine versteckte Kritik an Ihrer Arbeit?

Primus: Das Gegenteil ist der Fall. Wir haben ja als Stiftung bei der Erarbeitung dieser Grundsätze mitgearbeitet, und der Minister hat bei der Vorstellung dieses Konzepts noch mal betont, wie vorbildlich die Transparenz bei der Stiftung Warentest ist.

Es gibt inzwischen ja einige Test-Hefte in Deutschland, wie beispielsweise "Öko-Test". Wie unterscheiden Ihre Hefte sich von diesen?

Primus: Es gibt zwei große Unterschiede. Zum einen sind wir anzeigenfrei, um unsere Unabhängigkeit zu wahren. Dadurch kann nicht passieren, dass Anbieter mit einer Anzeige und einem Testergebnis im Heft auftauchen. Zum anderen haben wir als reine Testorganisation ein ganz ausgeklügeltes Verfahren, in das auch die Anbieter einbezogen werden. Wir stellen zu jedem Produkt, das wir testen, einen Fachbeirat zusammen, wo Vertreter von Anbietern und Verbrauchern mit uns das Prüfprogramm diskutieren können. Im Rahmen einer Anbieter-Vorinformation hat der Hersteller die Möglichkeit, die von uns ermittelten Messdaten gegenzuchecken. Außerdem haben wir einen anonymen Einkauf. Dinge, die bei uns getestet werden, haben wir normal im Handel erworben, wie der Verbraucher das auch macht. Wir verwenden keine Presse-Exemplare und Produkte, die uns von Herstellern zugeschickt wurden.

Die Produktkomplexität und -vielfalt ist heute wesentlich größer als vor 50 Jahren. Wie gehen Sie damit um?

Primus: Das ist immer eine große Herausforderung. Wir müssen uns überlegen, welche Produkte wir überhaupt auf den Prüfstand stellen. Dann versuchen wir, mit den Produkten, die wir auch mit unseren finanziellen Ressourcen testen können, eine möglichst große Marktabdeckung hinzubekommen.

Sie selbst gehen inzwischen - zum Beispiel mit "Finanztest" - auf spezielle Produktsortimente ein. Soll es weitere Special-Interest-Aufspaltungen geben?

Primus: Die Aufspaltung "Finanztest" und "Test" war sehr sinnvoll. Weitere Aufspaltungen sind nicht geplant. Man muss auch sehen, dass sich immer mehr Verbraucher im Netz informieren. Auf "test.de" haben wir das gesamte Spektrum unserer Testarbeit abgebildet. Dort kann man unter anderem in 26 Produktdatenbanken - von Matratzen bis Tablets - aktuelle Testergebnisse finden.

Wie stark wirken sich Ihre Produkttests auf das Kaufverhalten aus oder interessiert die Konsumenten am Ende nur der Preis?

Primus: Wenn Sie sehen, wie sehr die Werbung mit unseren Testergebnissen verbreitet ist, ist das ein Beleg dafür, dass dies die Produkte auch besser verkäuflich macht. Daran sieht man, dass die Verbraucher sehr wohl auf die Qualität achten und nicht nur auf den Preis. "Geiz ist geil" kann ja auch sehr schnell in großen Frust umschlagen. Wenn Sie Billiggeräte kaufen, die schnell kaputtgehen, haben Sie eigentlich mit Zitronen gehandelt. Die Deutschen sind sehr qualitätsbewusst.

Sind die Deutschen pingeliger als andere?

Primus: Da haben Sie recht. Wir haben ja auch eine enge Zusammenarbeit mit Test-Organisationen aus anderen Ländern und prüfen mit denen gemeinsam Produkte. Wir Deutschen sind sehr viel pingeliger und sehr viel mehr am Detail interessiert als andere. Das ist schon eine Volkseigenschaft, die aber auch den Erfolg deutscher Produkte ausmacht.

Wie stark reagieren Sie auf Produktkommentare von Nutzern im Internet. Berücksichtigen Sie diese Anmerkungen oder sehen sie diese eher als interessengelenkt an?

Primus: Man muss sich anschauen, was da an Produktbewertungen veröffentlicht wird. Diese sind oft überschwänglich lobend. Das kann jeder Volontär einer Firma machen. Es gibt heute ganze Unternehmen, die sich darauf spezialisiert haben, solche Produkte im Internet zu lancieren. Da muss man sehr, sehr vorsichtig sein. Da ist viel interessengesteuert.

Wird es die Stiftung Warentest auch noch in 50 Jahren geben?

Primus: Da bin ich ganz sicher. Denn bei den komplexen Produkten und den vielen interessengesteuerten Berichten wird der Bedarf an unabhängigen, seriösen Informationen immer größer. Daher wird es uns auch in 50 Jahren noch geben, und wir werden weiterhin erfolgreich arbeiten.

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