"Die Buddenbrooks" als beeindruckendes Puppentheater

Forbach. "Wir sind nicht dafür geboren, was wir mit unseren kurzsichtigen Augen für unser eigenes, kleines, persönliches Glück halten", sagt Jean Buddenbrook. Er muss es wissen, denn die Firma steht über allem, die Firma ist alles und Tochter Tonis Benehmen nicht "comme il faut"

 Die Buddenbrooks an der Kaffeetafel. Foto: Gert Kiermeyer

Die Buddenbrooks an der Kaffeetafel. Foto: Gert Kiermeyer

Forbach. "Wir sind nicht dafür geboren, was wir mit unseren kurzsichtigen Augen für unser eigenes, kleines, persönliches Glück halten", sagt Jean Buddenbrook. Er muss es wissen, denn die Firma steht über allem, die Firma ist alles und Tochter Tonis Benehmen nicht "comme il faut". Die Textbearbeitung von John von Düffel extrahiert aus dem Mammutwerk substanzielle Passagen. Die Bühne ist eine Plattform mit langer Tafel unter einer mit viellen Lampen versehenen Kassettendecke, die Hallenausmaße für das "fatal große Haus" suggeriert.

Sechs schwarz gekleidete Spieler sitzen hinter den großen Puppen, führen sie, verschmelzen teils mit ihnen, werden teils selbst zu weiteren namenlosen Figuren im Stück, klappern mit Kaffeetassen, plaudern, streiten. Die Handlung um den Niedergang einer großbürgerlichen Lübecker Kaufmannsfamilie Mitte des 19. Jahrhunderts, die zwar viele Mitglieder hat, aber keinen wirklichen Zusammenhalt und letztendlich jeden für sich allein kämpfen lässt, wird immer wieder ironisch gebrochen, Moritz Sostmanns Regie ist einfallsreich. Etwa wenn Toni lasziv auf dem Tisch "What a day for a daydream" tanzt, wo sie später doch den blasierten Blender Grünlich heiraten wird. Träumereien sind das letzte, was die Buddenbrooks sich erlauben. Oder wenn der Tunichtgut Christian in London die Sause macht und grölend auf der Gitarre schrammelt.

Wie nebenbei reichen die Spieler den Puppen verlangte Utensilien, reihen sich so unter die Bediensteten ein, eröffnen dem Spiel eine weitere Ebene. Die fein gearbeiteten Puppen (Hagen Tilp) karikieren Manns Charaktere leicht, wirken aber sehr echt in ihren Emotionen. Stehen oder gehen sie, werden sie von zwei oder mehreren der Spieler geführt. Noch in kleinsten Bewegungen einer Hand, einer Neigung des Kopfes, zeigen sich Gefühle, die Zwiegestalt von Spieler und Puppe wird zur Symbiose. Das Stück evoziert aktuelle Fragen um Fremd- und Selbstbestimmung und die Relevanz vorgezeichneter Lebenswege. Die "Buddenbrooks" als Figurenspiel ist ein gewagtes Unterfangen, das sich als nahezu zweieinhalbstündiges Vergnügen erweist.

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