Die bösen Brüder sind zurück

Saarbrücken. Er wird sich wohl die bratpfannengroßen Hände reiben dürfen: Die Oscar-Verleihung am 27. Februar könnte Harvey Weinsteins großes Comeback symbolisch besiegeln. Der Historienfilm "The king's speech", der vom englischen König George VI. und dessen Stottern handelt, ist für zwölf Oscars nominiert. Die Produktion mit Colin Firth wird wohl die wichtigen gewinnen

 Colin Firth, oscarnominiert, als König George VI. in "The king's speech". Foto: Senator

Colin Firth, oscarnominiert, als König George VI. in "The king's speech". Foto: Senator

Saarbrücken. Er wird sich wohl die bratpfannengroßen Hände reiben dürfen: Die Oscar-Verleihung am 27. Februar könnte Harvey Weinsteins großes Comeback symbolisch besiegeln. Der Historienfilm "The king's speech", der vom englischen König George VI. und dessen Stottern handelt, ist für zwölf Oscars nominiert. Die Produktion mit Colin Firth wird wohl die wichtigen gewinnen. Ein Triumph für Regisseur Tom Hooper, vor allem aber für Studiochef Harvey Weinstein, der den Film in die US-Kinos gebracht hat. Niemand anderes in der Geschichte Hollywoods hat derart effektive Oscar-Kriegszüge entworfen, befeuert mit Dollarmillionen, klug eingefädelten Pressekampagnen und regem Kontakt zu den Oscar-Wahlberechtigten. Mit dem Resultat etwa, dass ein heute halb vergessener Film wie "Shakespeare in love" vor 13 Jahren 13 mal nominiert war, Martin Scorseses schwacher Film "Gangs of New York" 2002 zehn Mal.Doch Weinstein ist mehr als ein Oscar-Strippenzieher - mit seinem Bruder Bob hat er eines der buntesten Kapitel der Hollywood-Historie geschrieben. In den 70er Jahren arbeiten die beiden New Yorker als Konzertveranstalter und gründen einen kleinen Kinoverleih namens Miramax. Schon bei einem der ersten Einkäufe demonstrieren sie ihre Skrupellosigkeit, fertige Filme nach ihrem Gusto zu bearbeiten: Aus zwei englischen Musikfilmen schneiden sie die Höhepunkte zu einem Film zusammen, die Reste vom Boden des Schneideraums landen beim Fernsehen.

Andererseits traut sich Miramax an ambitionierte Filme heran, die andere US-Verleiher links liegen lassen; 1989 kaufen die Weinsteins "Sex, Lügen und Video", das Debüt von Steven Soderbergh, und revolutionieren die Art, wie man Kunstfilme ins Kino bringt. Soderberghs Film starten sie nicht vorsichtig in den Großstädten, sondern mit vielen Kopien und viel Werbung, auch im Hinterland, keine Domäne sperriger Filmkunst. Der Erfolg überrascht viele, nicht aber die Weinsteins, die Instinkt für die Zugkräftigkeit eines Films besitzen, den sie gerne wieder und wieder mit Publikum testen und dann verändern - sehr zum Kummer von Regisseuren, die beim Aufmucken von Harvey Weinstein unter den Konferenztisch gebrüllt werden. Seine barocken Schmeicheleien sind ebenso berüchtigt wie seine Hasstiraden, Drohungen, halbstündigen Schrei-Attacken und seine kreative Buchführung (womit er nicht alleine ist in Hollywood). Ben Affleck und Matt Damon etwa, den Stars/Autoren des Hits "Good Will Hunting", ließ Weinstein vorrechnen, dass ihr 20-Millionen-Dollar-Film bei einem weltweiten Einspiel von 200 Millionen sogar Verlust eingefahren habe. Früher oder später fühlt sich jeder von den Weinsteins über den Tisch gezogen, außer Quentin Tarantino, dem die Weinsteins zu Füßen liegen. Als Miramax 1994 dessen zweiten Film "Pulp Fiction" herausbringt, stehen die Weinsteins am Gipfel: Kassenschlager plus Oscar-Segen plus Kritikerjubel.

Zu dieser Zeit haben sie längst beim Disney-Konzern angedockt - keine Liebes-Ehe: Die Ego-Kämpfe zwischen Disney-Chef Michael Eisner und Harvey Weinstein sind lautstark, zudem betätigt sich Weinstein immer mehr als Produzent. Doch Scorseses "Gangs of New York" sprengt das Budget, ebenso wie der Bürgerkriegsfilm "Cold Mountain", obwohl er im Billiglohnland Rumänien entsteht. Der größte Streit entzündet sich 2004 an Michael Moores US-kritischer Dokumentation "Fahrenheit 9/11", den Disney (via Miramax) ob ihrer politischen Haltung nicht zeigen will. Die Weinsteins bringen den Film unabhängig von Disney ins Kino und verlassen den Konzern 2005. Mit ihrer neuen Firma namens The Weinstein Company stehen sie nun vor dem ganz großen Comeback, zu dem zwei Meldungen bestens passen: Harvey Weinstein plant, "The king's speech" um einige Szenen zu kürzen, um eine niedrigere Altersfreigabe zu bekommen und damit das Zielpublikum zu vergrößern. Der Regisseur soll entsetzt sein. Gleichzeitig hat Michael Moore die Brüder verklagt, weil er sich um Gewinne von "Fahrenheit 9/11" geprellt fühlt. Kürzen, Regisseure verprellen, verklagt werden: Bei den Weinsteins ist die Welt wieder in Ordnung.

Kritik zu "The king' speech" (Filmhaus, Sb) morgen im treff.region. Über die Weinstein-Brüder hat US-Autor Peter Biskind ein exzellentes Buch geschrieben: "Sex, Lies & Pulp Fiction - Hinter den Kulissen des neuen amerikanischen Films" (Rogner & Bernhard).

Auf einen Blick

Die anderen neuen Filme: Danny Boyles "127 hours" (Camera Zwo, Sb) erzählt von einem verunglückten Bergsteiger, der bis zum Äußersten gehen muss, um sich zu retten - ein faszinierendes Kammerspiel am Berg. Ebenfalls eine Entdeckung: die Doku "Pornografie & Holocaust" (Filmhaus, Sb) über Groschenhefte und Erinnerungskultur in Israel. In vielen Kinos läuft der gelungene Kinderfilm "Hexe Lilli - Die Reise nach Mandolan". Nur Romanzendurchschnitt bietet die Komödie "Freundschaft Plus" mit Natalie Portman. red

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