Deutschlands schärfste Waffe

Deutschlands Partner in Europa reiben sich die Augen: Während der halbe Kontinent seine Sommerpause zelebriert, behält Berlin die Fäden zur Lösung der Krisen in der Ukraine, in Gaza und im Irak in den Händen.

Die Kanzlerin als Schaltstelle für die Kontakte zwischen Kiew, Moskau und Washington, der Außenminister auf diplomatischer Dauerreise - erst so langsam dämmert es den meisten, was sich schon seit Monaten anbahnt.

Zunächst war es die Bundesverteidigungsministerin, schließlich sogar der Bundespräsident, die beide von der größeren außenpolitischen Verantwortung unseres Landes sprachen. Damals hatte allerdings niemand ernsthaft an Waffenlieferungen gedacht. Nun liegt die Forderung auf dem Tisch. Unsere Partner haben zwar immer akzeptiert, dass Deutschland vor dem Hintergrund seiner Geschichte mit einer solchen Herausforderung behutsam umgehen muss. Aber sie taten sich schwer damit zu verstehen, warum der Weg der deutschen Außenpolitik ein anderer war.

Waffenlieferungen machen nur dann Sinn, wenn dieser Weg tatsächlich unvermeidbar erscheint, um einen Konflikt zu lösen oder einen Völkermord zu verhindern. Wenn die "Waffen" der Diplomatie stumpf geworden sind, ist es nicht unmoralisch, über andere Instrumente nachzudenken. Dass dies im Irak der Fall ist, steht außer Frage.

Die Bundesrepublik hat genügend Probleme mit ihrer Exportpraxis für militärisches Gerät. Sie muss sich seit langem die Frage gefallen lassen, ob sie nicht aus wirtschaftlichen Gründen ihre moralischen Ansprüche bereits über Bord geworfen hat. Aber diese Dinge sind nicht vergleichbar. Im Irak haben sich Terroristen aufgemacht, ein ganzes Volk auszurotten, um ihre Schreckensherrschaft zu errichten. Da darf Deutschland nicht zusehen. Das hat wenig mit "Waffenlieferungen in ein Kriegsgebiet" zu tun.

Man mag einen solchen Beschluss, so er denn gefasst würde, als Tabu-Bruch bezeichnen. Tatsächlich wäre er jedoch nur eine Fortsetzung der zurückhaltenden Außenpolitik mit anderen Mitteln. Deutschland wird seine bisherige Rolle deswegen nicht aufgeben. Die Überzeugung, dass die Krisen rund um den Globus nicht von Weltpolizisten gelöst werden können, ist und bleibt richtig. Ebenso wie die Linie der Bundesregierung, immer zuerst an die eigene Verantwortung eines Volkes sowie der Zuständigkeit der Nachbarn in der Region zu erinnern. Weder unser Land noch die EU dürfen sich in eine Rolle drängen lassen, die die USA über viele Jahre auf fatale Weise eingenommen hat. Selbst wenn Berlin aus wehrlosen Flüchtlingen kampfbereite Gegner der islamistischen Terroristen macht, muss die Diplomatie die schärfste Waffe Deutschlands bleiben.

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