Deutschland bremst Europa

Meinung · Deutschlands Kampfansage an Europa entfällt. Das Paket der vier Begleitgesetzte, mit denen der EU-Reformvertrag auch für Deutschland verfassungskonform gemacht werden soll, enthält keinen Sprengstoff

Deutschlands Kampfansage an Europa entfällt. Das Paket der vier Begleitgesetzte, mit denen der EU-Reformvertrag auch für Deutschland verfassungskonform gemacht werden soll, enthält keinen Sprengstoff. Im Gegenteil: Man fragt sich, wieso es - über 50 Jahre nach der Gründung der Europäischen Gemeinschaft - nicht selbstverständlich ist, wenn der Bundestag auf seine stete Mitwirkung an der EU-Politik drängt? Was machen denn die Parlamente in Bund, Ländern und Kommunen mit all den Informationen und Hintergrund-Papieren, die sie von ihren Verbindungsstellen aus Brüssel geliefert bekommen? Und: Warum sollte die Mitwirkung jetzt besser werden, wo nicht die Abgeordneten selbst, sondern die höchsten Richter Nachholbedarf erkannten? Dem Streit um die Beziehungen der Bundesrepublik mit der EU haftet etwas Gespenstisches an. Mit erschreckender Gleichgültigkeit haben alle politischen Kräfte in Deutschland zugelassen, dass Karlsruhe dem Europäischen Parlament die demokratische Legitimation abgesprochen hat - ausgerechnet beim Urteil über den EU-Vertrag, der diese europäische Volksvertretung zu einem vollwertigen Gesetzgeber adelt. Das Straßburger Plenum geht aus dem Krach beschädigt hervor, was nicht passiert wäre, wenn der Bundestag seiner Aufgabe schon früher nachgekommen wäre. Das Ergebnis ist eine juristisch verklausulierte Ansammlung von Selbstverständlichkeiten mit möglicherweise fatalen Auswirkungen. Denn auch wenn die Regelungen in Deutschland nunmehr vergleichsweise harmlos ausfallen, sie werden natürlich Kreise ziehen. Die Vorstellung einer Gemeinschaft, die nichts mehr wirklich beschließen kann, weil zunächst 27 (oder mehr) nationale Abgeordnetenkammern noch beraten müssen, hat etwas Lähmendes. In Berlin, Paris oder Warschau muss ein Abgeordneter national denken, in Brüssel und Straßburg aber europäisch. Eines ist sicher: Kompromisse gestalten sich künftig noch schwerer. Europa wird gebremst, unbeweglicher. Deutschland hat dies ausgelöst.Die letzte Hoffnung ruht nun auf denen, die dieses Gesetzespaket umsetzen sollen. Wenn es ihnen gelingt, den rechtlichen Rahmen so zu nutzen, dass daraus zum einen eine wirkliche Integration des Bundestages in die europäische Gesetzgebung entsteht, zum anderen aber auch die Mitglieder der Bundesregierung weiter gestalten und an Kompromissen mitwirken können, dürfte am Ende doch etwas gewonnen werden. Und sei es nur die Erkenntnis, dass die Gemeinschaft kein Gegner der Mitgliedstaaten ist. Sondern einer ihrer Unterstützer.

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