Deutsche Wirtschaft auf Erholungskurs

Wiesbaden/Berlin. Die deutsche Wirtschaft holt weiter auf. Seit dem Sommer ist die schwerste Rezession in der Geschichte der Bundesrepublik vorbei. Im dritten Quartal wuchs die Wirtschaft mit 0,7 Prozent real gegenüber dem Vorquartal so stark wie seit Anfang 2008 nicht mehr, berichtete gestern das Statistische Bundesamt

Wiesbaden/Berlin. Die deutsche Wirtschaft holt weiter auf. Seit dem Sommer ist die schwerste Rezession in der Geschichte der Bundesrepublik vorbei. Im dritten Quartal wuchs die Wirtschaft mit 0,7 Prozent real gegenüber dem Vorquartal so stark wie seit Anfang 2008 nicht mehr, berichtete gestern das Statistische Bundesamt. Milliardenschwere Konjunkturprogramme wie die Abwrackprämie sowie die Exporte und Investitionen der Unternehmen kurbelten das Wachstum an. Bremsend wirkte der private Konsum.Im kommenden Jahr geht es wohl weiter aufwärts. Der Sachverständigenrat der Bundesregierung sagt für 2010 ein Wachstum von 1,6 Prozent voraus. Damit sind die "Wirtschaftsweisen" optimistischer als die schwarz-gelbe Regierung, die bisher von 1,2 Prozent ausging. Trotz der voraussichtlich "leichten Erholung" im kommenden Jahr befinde sich die Konjunktur noch "in einem tiefen Tal", erklärten die Wirtschaftsweisen in ihrem Jahresgutachten, das sie gestern der Kanzlerin Angela Merkel (CDU) überreichten. Für das laufende Jahr erwarten die Sachverständigen einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um fünf Prozent. Horrorszenarien auf dem Arbeitsmarkt mit fünf Millionen Erwerbslosen im Jahresschnitt würden nicht eintreten, sagte der Vorsitzende des Sachverständigenrates, Wolfgang Franz. Die "Weisen" gehen von knapp vier Millionen Arbeitslosen im kommenden Jahr aus. 2009 liege die Arbeitslosigkeit im Jahresschnitt bei etwa 3,4 Millionen Menschen.Hart ins Gericht gingen die Experten mit den Steuersenkungsplänen der neuen Regierungskoalition. "Steuersenkungsversprechen ohne solide Gegenfinanzierung, wie sie sich im Koalitionsvertrag finden, sind unseriös", steht in dem Gutachten. Bei der Einkommensteuer stehe die nötige Haushaltssanierung größeren Reformen entgegen. "Auch wenn es die neue Bundesregierung nicht wahrhaben will: Ohne harte Einschnitte bei den öffentlichen Ausgaben oder ohne Erhöhungen von Steuern oder anderen Abgaben kann eine Konsolidierung der staatlichen Haushalte nicht gelingen", heißt es unmissverständlich. "Grundsätzlich sind Ausgabenkürzungen Steuererhöhungen vorzuziehen." Union und FDP wollen Bürger und Unternehmen dauerhaft um jährlich 24 Milliarden Euro entlasten. In einem ersten Schritt soll es Entlastungen bereits zum Januar 2010 im Umfang von 8,5 Milliarden Euro geben. Sie werden mit neuen Schulden finanziert. "Möglichst" von Anfang 2011 an soll es weitere Entlastungen sowie eine Reform der Einkommensteuer mit einem Stufentarif geben. Die Regierungsberater plädieren für den Rückzug aus den staatlichen Konjunkturprogrammen vom Jahr 2011 an. Der Ausstieg sollte nicht zu früh erfolgen. Die Politik sollte aber schon jetzt klare Signale dafür geben. Die Konjunkturprogramme behinderten Investitionen in Bildung und Innovation. Die Wirtschaftspolitik laufe Gefahr "die Zukunft aufs Spiel zu setzen", erklärten die Wirtschaftsweisen. Kanzlerin Merkel sagte zu der harschen Kritik, es müsse alles getan werden, damit die düsteren Prognosen nicht einträfen. Merkel räumte ein, dass Steuersenkungen riskant sind. "Es war immer klar, dass sich die Steuersenkungen nicht hundertprozentig selbst finanzieren werden", sagte sie. Steuersenkungen seien derzeit aber notwendige Impulse, um einen raschen Aufschwung zu erreichen. Auch Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) sagte, gerade in der Krise sei es wichtig, durch Steuersenkungen Weichen für ein nachhaltiges Wachstum zu stellen. "Steuersenkungs-versprechen ohne solide Gegenfinan-zierung sind unseriös." Herbstgutachten der WirtschaftsweisenMeinung

Waghalsige Politik

Von SZ-RedakteurVolker Meyer zu Tittingdorf Der Optimismus wächst. Die deutsche Wirtschaft steuert auf einen Aufschwung zu, einen zaghaften zwar, aber immerhin. Der Weg ist aber noch lang und beschwerlich, bis das Vorkrisen-Niveau erreicht ist. Das Risiko zu stolpern und zu stürzen ist hoch. Angesichts dieser heiklen Lage verhält sich die neue Bundesregierung wie ein Zocker. Die schwarz-gelbe Koalition setzt mit ihren Steuersenkungsplänen voll auf Risiko. Genau das prangern die Wirtschaftsweisen zu recht mit scharfen Worten an. Klar ist jetzt schon, dass die Arbeitslosigkeit deutlich steigen wird und der private Konsum sinkt. Und ob Asien die stotternde Konjunktur-Lokomotive USA schnell ersetzen kann, weiß niemand. Wächst die deutsche Wirtschaft aber weniger als erhofft, hat die Regierung mit ihrer Steuerpolitik ohne Not großen Schaden angerichtet. Gutes Krisenmanagement sieht anders aus.

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