Der Wahlkampf führt Schäuble bis nach Athen

Brüssel · Das waren noch Zeiten, als der jedem Trick zuneigende griechische Göttervater Zeus der zarten Europa nachstellte und sie mit allen Mitteln für sich reklamierte, also entführte. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) jedenfalls blieben solche Sympathie-Bezeugungen verwehrt, als er seine Wahlkampf-Tour gestern bis nach Athen ausdehnte.

Er sei gekommen, um den Hellenen zu ihrem Durchhaltevermögen zu gratulieren, hieß es. Doch die wollten davon nichts wissen, versuchten sie doch noch, die Parlamentsentscheidung vom Vorabend zu verdauen: 15 000 Beschäftigte im öffentlichen Dienst werden auf die Straße gesetzt.

Es scheint, als habe das Leiden des Volkes einfach kein Ende. Der Schuldenstand liegt inzwischen bei 175 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Alle Berechnungen der Euro-Retter, wonach das Land vielleicht schon 2014 wieder auf eigenen Füßen stehen könnte, entpuppen sich als Illusion. Schon ist von einem neuen Schuldenschnitt die Rede - dann zu Lasten der öffentlichen Kassen, also der Steuerzahler. Das Thema liegt auf Wiedervorlage für den Herbst. Also nach der Bundestagswahl. Vorher können weder die Kanzlerin noch ihr Finanzminister irgendwelche Spekulationen über verlorenes Geld gebrauchen. Denn darauf liefe hinaus, was Experten landauf, landab bereits verkünden.

Griechenland muss seine Lasten verringern, um wieder Luft für Investitionen zu bekommen. Sparen saniert zwar die Staatsfinanzen und den Ruf an den internationalen Finanzmärkten. Aber es heilt nicht die Wunden, die Massen-Kündigungen auf der anderen Seite reißen. Die Hellenen brauchen viel, aber besonders dringend brauchen sie positive Nachrichten, um den gesellschaftlichen Konsens über den Sinn der Rettungs-Operationen nicht zu verlieren.

Schäubles Versuch, Anerkennung und Respekt zu überbringen, war von vornherein zum Scheitern verurteilt. Dass der Minister zwar 100 Millionen Euro für einen Investitionsfonds dabei hatte, diese aber wiederum an Auflagen knüpfte, entlarvte ihn endgültig als Reisenden in Sachen eigener Wahlkampf. Die Griechen können auf derartige Visiten verständlicherweise gern verzichten. Daheim aber kommen solche Auftritte als strenger Hüter deutschen Steuergeldes natürlich gut an. Und die Bundesregierung braucht in der weiter schwelenden Euro-Krise Nachweise ihrer Hartnäckigkeit. Nach mehreren Hilfspaketen für Athen samt erstem Schuldenschnitt suggeriert man, das öffentlich empfundene "Es reicht" liege bei den Regierungsparteien in guten Händen.

Dabei riskiert Berlin allerdings, dass sich die heile Vor-Wahl-Welt später als Luftschloss entpuppt. Zwar ist in den Hilfspaketen ohnehin für 2014 eine Überprüfung der ganzen Aktion vorgesehen - kurioserweise genau zu jenem Zeitpunkt, an dem Athen den EU-Vorsitz für sechs Monate übernimmt und somit an seiner eigenen Rettung maßgeblich mitarbeiten kann. Fraglich ist jedoch, ob Griechenland es überhaupt noch schafft bis dahin. Schon zu oft wurde der ultimative Durchbuch versprochen. Bislang ist zu viel davon verpufft, versickert, verendet. Wenn die Urlaubs-Saison vorüber und der Wahlkampf überstanden ist, wird ein Kassensturz unvermeidlich sein. Und es ist derzeit nicht zu erkennen, wie man dann an einer wirklich radikalen, weitreichenden Operation zugunsten der Hellenen vorbeikommen könnte.

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