Von Islam bis Männerquote Der verstörende Start von Innenminister Seehofer

Eines muss man Horst Seehofer lassen: Der neue Bundesinnen- und Heimatminister legt los wie ein Wirbelwind. Vermutlich auch deswegen, um es seinen Kritikern zu zeigen, die anfänglich die ketzerische Frage gestellt haben, ob er mit fast 69 Jahren den Job des Superministers überhaupt noch stemmen kann. Diese Kritik hat Seehofer ziemlich frustriert. Die 100 Tage Schonfrist, die man einem Politiker im neuen Amt zubilligen sollte, gelten für ihn jedenfalls nicht. Weil er im Gegenzug auch niemanden schont.

Der verstörende Start
von Innenminister Seehofer
Foto: SZ/Robby Lorenz

In seiner Antrittsrede kürzlich im Bundestag hatte der CSU-Chef ja angekündigt, Tempo machen zu wollen. Ein „Weiter so“ werde es mit ihm als Innenminister nicht geben – was immer er auch darunter versteht. Der Punkt ist freilich der, dass Seehofer bisher eher verstörend anstatt überzeugend agiert hat. Das lässt sich an einigen Beispielen konkret machen: Die von ihm neu entfachte (Alt-)Debatte darüber, ob der Islam zu Deutschland gehört oder eben nicht, hat erheblich geschadet und lediglich der AfD genützt. Gräben, die weitgehend zugeschüttet waren, sind nun wieder unnötig aufgerissen. Auch innerhalb der Union, auch zwischen Angela Merkel und Horst Seehofer. Die Kanzlerin hat den CSU-Chef zurechtgewiesen. Merkel weiß, dass ein Innenminister zwar hart in der Sache, aber nicht als Spalter handeln sollte. Weil das in unruhigen Zeiten Vertrauen kosten kann. Es dürfte allerdings nur eine Frage der Zeit sein, wann Seehofers Retourkutsche kommen wird – der Koalition steht dann eine weitere Belastungsprobe ins Haus.

Völlig verunglückt ist auch Seehofers Personalpolitik. Unter seiner Führung hat sich die CSU verweigert, zumindest eine Frau an den Kabinettstisch zu entsenden – das macht auch die Berufung einer Staatsministerin für Digitales nicht wett. In seinem personell und inhaltlich aufgeblähten Ressort selbst hat Seehofer inzwischen für einen Aufschrei gesorgt, weil nur Männer der Leitungsebene angehören. Das Foto der Herren hat im Netz bereits Kultstatus erlangt. Nun mag manch einer sagen, es gibt Wichtigeres, das ist eine Lappalie. Ist es aber nicht. Weil es zeigt, wie schwer es Seehofer und der CSU fällt, sich vom alten Rollenverständnis zu verabschieden. Die Partei ist in Wahrheit eben doch nicht so modern, wie sie gerne vorgibt. Und wer, wenn nicht die Bundesregierung und ihre Ministerien sollten Vorbild in Sachen Gleichberechtigung und Gleichstellung sein?

Nun macht sich der Minister auch noch daran, entgegen aller Kritik bis zum Herbst das erste Rück­führungszentrum für Flüchtlinge einzurichten. Wohlgemerkt bis zum Herbst. Dann sind Landtagswahlen in Bayern. Kein Zufall also. Mehr Abschiebungen von abgelehnten Asylbewerbern verspricht Seehofer. Dabei ist seine politische Einflussmöglichkeit in diesem Bereich begrenzt, da die Zuständigkeiten vor allem bei den Ländern liegen. Anspruch und Wirklichkeit könnten also in dieser Frage alsbald Seehofer einholen. Der Minister muss daher gehörig aufpassen, dass dies nicht zu seinem Markenzeichen wird.

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