Der Vater und die Diktatur

Saarbrücken · Am Dienstag wird Götz George 75 Jahre alt. Im Film „George“ spielt er seinen Vater. Ein ambitioniertes Stück Fernsehen über einen wegen seiner Karriere in der NS-Zeit umstrittenen Künstler und über seine Söhne.

 Heinrich George (Götz George) mit Goebbels (Martin Wuttke), der ihn zur Mitwirkung im Film „Kolberg“ (1945) drängt. Foto: SWR/Th. Kost

Heinrich George (Götz George) mit Goebbels (Martin Wuttke), der ihn zur Mitwirkung im Film „Kolberg“ (1945) drängt. Foto: SWR/Th. Kost

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Am Ende tut Götz George einem leid. "Er war besser - besessener", sagt er da im Film als finalen Satz über seinen Vater Heinrich. Das klingt ein wenig wie das resignierte Fazit einer Karriere, wenn nicht sogar eines Lebens. Seinen Vater hat Götz George als Siebenjähriger zuletzt gesehen, dessen Schauspielberuf gewählt und sich immer wieder mit ihm auseinandergesetzt - und wohl auch verglichen. Da wirkt es symbolisch, wenn zum 75. Geburtstag Götz Georges ein Fernsehfilm läuft, in dem er seinen (Über-)Vater spielt; auch wenn George sich von der ARD getäuscht sieht: Sein eigener Geburtstag sei als Ausstrahlungstermin nie vereinbart worden. Die Sendezeit hatte der Bundesverband der Film- und Fernsehschauspieler als "Ausdruck bedauerlicher Gleichgültigkeit gegenüber unserer Kultur" bezeichnet. Das Zeitdokument "im Sommerloch um 21.45 Uhr auszustrahlen" sei ein faktisches Versenden, protestierte der Verband.

"George" ist ein ambitionierter Film, der die Karriere Heinrich Georges in der NS-Zeit nachzeichnet. Als gefeierter Darsteller, der der Kommunistischen Partei nahe steht und an der Berliner Volksbühne linkes Theater spielt, ist die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten für ihn eine Bedrohung der künstlerischen Existenz. Aber er arrangiert sich mit dem Regime, das ihn als Propagandamittel nutzt: In "Hitlerjunge Quex" spielt er, in "Jud Süss" und in "Kolberg", dem großen letzten Durchhaltefilm des Regimes. Wenige Wochen nach dem Krieg verhaftet ihn der russische Geheimdienst und inhaftiert ihn im ehemaligen KZ Sachsenhausen. Dort stirbt er 1946, mit 52 Jahren, an den Folgen der Haftbedingungen. 52 Jahre später rehabilitiert ihn Russland.

Diese Geschichte als TV-Film hätte man als breitenwirksames Kostümstück erwarten können, zumal Nico Hofmann ("Unsere Mütter, unsere Väter") ihn produziert hat. "George" geht einen anderen, schwierigeren Weg - was erklären mag, dass die ARD ihn erst um 21.45 Uhr ausstrahlt, zum Missfallen Georges, nach einer Schimanski-Wiederholung. Regisseur und Co-Autor Joachim A. Lang wählt die Form der Collage: aus Spielszenen, in denen George seinen Vater spielt; aus "Wochenschau"-Bildern vom Anschluss Österreichs und von Goebbels "Wollt Ihr den totalen Krieg?"-Rede; aus Filmausschnitten wie "Hitlerjunge Quex" und "Kolberg"; und - als Herzstück und Grundierung des Ganzen - aus Gesprächen mit Götz George und seinem älteren Bruder Jan. Sie gehen durch das Berliner Elternhaus, bevor sich der Film in Spielszenen ins Jahr 1945 bewegt, als der Künstler von einem russischen Offizier verhört wird. "Ich bin Schauspieler, kein Politiker", wehrt er sich gegen Vorwürfe, "ich wollte arbeiten, so einfach ist das". Der Film geht zurück in die 30er Jahre, zeigt Georges Arrangieren mit dem Regime, das Feilschen mit Goebbels darüber, dass er verfolgte, aber brillante Darsteller für das Schiller-Theater engagieren kann, das er ab 1938 als Intendant führt. Wollte George die Künstler schützen oder ihr Talent auf seiner Bühne sehen? War er idealistisch verblendet, was die Rolle der Kunst in einer Diktatur angeht? "Wir machen Theater und dadurch das Gute", sagt er im Film. Wollte er nur spielen, passiere was wolle?

Der Film lässt beide Lesarten zu. Er ist leiser Regimekritiker und NS-Lautsprecher, politisch naiv und opportunistisch zugleich. Die fragmentarische Struktur des Films trägt dazu bei, dass ein komplexes Bild entsteht und kein eindeutiges Urteil gesprochen wird.

Der Kontrast von Spielszenen mit Götz George als Vater und alten Aufnahmen Heinrich Georges zeigen, dass der Sohn nicht versucht, den Vater realistisch nachzuspielen. Man weiß immer, dass man Götz George sieht, vor allem im letzten Drittel des Films, als der Häftling den "Faust" inszeniert. Nur da droht der Film, sentimental zu werden. Insgesamt aber ist er eine abwägende Auseinandersetzung mit einem Künstler, der sein Handeln nicht relativiert; und eine Auseinandersetzung zweier Söhne mit ihrem überlebensgroßen Vater. Als die Söhne dessen alten Tisch sehen, nennt ihn der ältere Sohn beim Nachnamen: "Hier ist der Schreibtisch vom George."

"George": Am Montag um 20.15 Uhr bei Arte, am Mittwoch 21.45 Uhr in der ARD.

 Götz George 1943 mit seinen Eltern Berta Drews und Heinrich George. Foto: SWR/Agentur Dähn

Götz George 1943 mit seinen Eltern Berta Drews und Heinrich George. Foto: SWR/Agentur Dähn

Foto: SWR/Agentur Dähn

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HintergrundZu Götz Georges 75. Geburtstag am nächsten Dienstag widmet der WDR dem Darsteller den heutigen Samstagabend: Um 20.15 Uhr läuft das Alzheimer-Drama "Mein Vater". Es folgen "Der Totmacher" (21.40 Uhr), "Tatort: Duisburg Ruhrort" (23.30 Uhr) und "Götz George wird 75 - Seine beliebtesten Rollen" (ab 1.10 Uhr). Am Mittwoch zeigt die ARD um 20.15 Uhr (vor "George") die Wiederholung von "Schimanski: Schuld und Sühne". Am Donnerstag wiederholt der WDR um 20.15 Uhr "Schimanski: Schicht im Schacht". redInternet-Special zu Götz George und dem Film "George": www.DasErste.de/george

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