Der Überzeugungskünstler

New York. Wellen aus schimmernden Stoffbahnen bewegen sich sanft im Wind über dem Canyon, Kajakfahrer darunter können von den Stromschnellen aus Wolken und Bergketten erahnen, und am Ende des Tages locken spektakuläre Sonnenuntergänge, verzaubert durch das silberfarbene Gewebe

 Christo und Jeanne-Claude vor einem Entwurf von "Over the River" im Jahr 2006. Foto: dpa

Christo und Jeanne-Claude vor einem Entwurf von "Over the River" im Jahr 2006. Foto: dpa

New York. Wellen aus schimmernden Stoffbahnen bewegen sich sanft im Wind über dem Canyon, Kajakfahrer darunter können von den Stromschnellen aus Wolken und Bergketten erahnen, und am Ende des Tages locken spektakuläre Sonnenuntergänge, verzaubert durch das silberfarbene Gewebe. Wenn Verpackungskünstler Christo, der 1995 den Berliner Reichstag verhüllte, sein neues Projekt "Over The River" beschreibt, scheint er es schon vor Augen zu haben. Bevor er jedoch die 60 Kilometer des Arkansas River im Süden des US-Bundesstaates Colorado zwei Wochen lang überspannen darf, muss er noch hohe bürokratische Hürden überwinden. "Wir brauchen die Erlaubnis der Bundesregierung, des Bundesstaates Colorado, zweier Landkreise, elf verschiedener Verwaltungsbehörden und zweier privater Unternehmen", zählt Christo auf. Der 75-jährige Künstler sitzt in seinem Atelier in New York, das in einem unscheinbaren, schmalen Haus in der Nähe des quirligen Stadtteils Chinatown untergebracht ist. Mit unverkennbarem Stolz zeigt er auf die beiden dicken Ordner, die dort neben dem weißen Sofa liegen. Es ist die 2000 Seiten dicke Bewertung seines Kunstprojekts durch das "Bureau of Land Management", eine Art US-Landverwaltungsamt. Diese Beurteilung unter ökologischen, wirtschaftlichen und touristischen Gesichtspunkten steht auch der Öffentlichkeit zu Verfügung. Bis zum 30. August haben Christo-Fans aus aller Welt die Gelegenheit, dem Amt ihre Begeisterung oder ihr Missfallen kund zu tun. Christo fliegt immer wieder nach Colorado, um dort bei Vorträgen für sich zu werben, Kritiker und Anwohner dürfen ihre Bedenken bei Anhörungen äußern. "Das größte Problem ist bei allen unseren Projekten, dass die Leute finden, dass es zu viel Verkehr gibt, zu großer Andrang herrscht. Und natürlich gibt es auch Diskussionen um Kunst. Viele Leute halten das Projekt nicht für Kunst", so Christo. "Over The River" ist das erste Kunstprojekt in seiner Karriere, das er alleine durchziehen muss. Geplant hatte er es noch mit seiner Frau und künstlerischen Partnerin Jeanne-Claude. Sie ist im vergangenen Jahr unerwartet an einer Hirnblutung gestorben. Das Paar hatte sich versprochen, das der eine nach dem Tod des anderen weitermachen wird. Und so spricht Christo weiterhin von "unserem Projekt" — die Frau mit den leuchtend roten Haaren ist während des Gesprächs immer noch sehr präsent. dpa

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