Der Stahlindustrie drohen kühle Zeiten

Dillingen/Völklingen. Die ungelöste Euro-Krise und unklare Perspektiven in der Energiepolitik erreichen jetzt auch die saarländische Stahlindustrie. Sowohl die Dillinger Hütte als auch Saarstahl Völklingen und die Schmiede werden die für 2012 gesteckten Ziele nicht erreichen

Dillingen/Völklingen. Die ungelöste Euro-Krise und unklare Perspektiven in der Energiepolitik erreichen jetzt auch die saarländische Stahlindustrie. Sowohl die Dillinger Hütte als auch Saarstahl Völklingen und die Schmiede werden die für 2012 gesteckten Ziele nicht erreichen. Dennoch drohe bis auf Weiteres keine Kurzarbeit, betonte der Vorstandschef beider Standorte, Karlheinz Blessing, gegenüber unserer Zeitung."Ich bin für die kommenden sechs Monate und die ersten zwei Quartale 2013 nicht sehr optimistisch", so Blessing. Auf den Märkten herrsche weltweit große Unsicherheit. Viele Kunden hielten sich mit Aufträgen zurück oder vertagten Projekte. "Ich sehe jedoch nicht den Punkt, an dem unsere Produktion einbrechen würde und wir zur Kurzarbeit greifen müssten." Auch drohe kein Krisenszenario wie 2009 nach Ausbruch der Finanzkrise. Produktionsschwankungen könne man an der Saar noch abfedern. "Es war immer unsere Politik, eine stetige Personalpolitik zu betreiben. Wir haben in Zeiten einer guten Konjunktur nicht im großen Stil Leute eingestellt. Umgekehrt verhält es sich genauso."

Deshalb werde mit Maßnahmen wie Altersteilzeit reagiert. Manche Stelle werde auch nicht wiederbesetzt. Die Dillinger Hütte beschäftigt 5464 Mitarbeiter, Saarstahl Völklingen mit der Schmiede 6119. "Die Gesamtsituation ist mehr von Moll-Tönen bestimmt. Die Euro Krise verunsichert ungemein, in China lässt das Wachstum nach und die Nachfrage geht zurück. In Asien sind riesige Mengen Stahl auf den Märkten, was zusätzlich auf die Preise drückt. Die Folgen treffen alle Stahlhersteller weltweit. Die Quartalszahlen zeigen, dass die meisten Verluste gemacht haben", analysiert Blessing. Dillingen und Saarstahl Völklingen seien immer noch im oberen Tabellendrittel zu finden. "Aber die Nachfrage lässt bei beiden Hütten nach. Nahezu alle Stahlhersteller rechnen damit, dass das zweite Halbjahr schlechter wird."

Die Premiumhersteller von Autos, wichtige Kunden für die Saar-Stahlindustrie, hielten sich noch gut. Die deutschen Autoproduzenten lebten besonders stark vom Export nach China und in die USA. Auch der Maschinenbau zeige sich robust, während die Energiepolitik Sorge bereite. Gerade im Bereich der Offshore Windparks, die besonders für die Dillinger Hütte ein immer bedeutenderes Geschäftsfeld darstellen, würden Projekte verschoben. Investoren sähen sich mit großen finanziellen Unsicherheiten konfrontiert, da immer noch nicht klar sei, wer die Kosten für einen verzögerten Netzausbau übernehmen muss. Die von Brüssel angestoßene Debatte um eine Verknappung der C02-Zertifikate entwickele sich zur gefährlichsten Diskussion für den Fortbestand gerade der deutschen Industrie.

Trotz regenerativer Energien könne man noch auf viele Jahre hinaus nicht auf Kohle- und Gaskraftwerke verzichten. "In beide Kraftwerksformen wird derzeit in Deutschland nicht investiert. Das sieht man auch an den fehlenden Aufträgen für die Schmiede in Völklingen." Gerade die Schmiede könne Turbinen für Kraftwerke produzieren, die deren Wirkungsgrade erheblich erhöhten und zu einer starken Senkung des CO2 Ausstoßes beitrügen.

Immer häufiger werde verlangt, dass Zulieferer mit ihrer Produktion den Herstellern, etwa von Autos, vor Ort ins Ausland folgen. Die saarländische Stahlindustrie sei mittelständisch geprägt und für solche Anforderungen zu klein. Deshalb werde derzeit diskutiert, sich zur Stärkung der Wertschöpfungskette mit Teilen der Weiterverarbeitung mehr auf Weltmärkten vor Ort zu engagieren. Denkbar sei etwa, dass bestimmte Blech-Zuschnitte künftig vor Ort angefertigt werden. "Die Stahlherstellung wird jedoch auch künftig vom Saarland aus erfolgen." Foto: Udo Rau

Meinung

Die Krise wird spürbar

Von SZ-RedakteurThomas Sponticcia

Die Euro-Krise und die Folgen einer schwammigen Energiepolitik mit unklaren Rahmenbedingungen für Unternehmen wie Verbraucher erreichen jetzt auch das Saarland. Ford kann schon deutlich weniger Autos in Südeuropa verkaufen. Jetzt trifft es auch die Stahlindustrie, eine der wichtigsten Stützen unseres Landes für Wirtschaftskraft und Arbeitsplätze. Wenn die Finanzkrise nicht schnell gelöst wird, das Vertrauen der Bürger weiter fehlt und auch die nationale wie internationale Energiepolitik mehr Fragen aufwirft als Sicherheit bringt, dann wird 2013 ein schwarzes Jahr auch an der Saar. Mit wieder steigender Arbeitslosigkeit und wachsender Perspektivlosigkeit, gerade für junge Familien.

Deshalb muss politisch alles getan werden, gerade der saarländischen Industrie möglichst attraktive Rahmenbedingungen zu bieten und sie weiter zu stärken. Auf Wirtschaftsminister Heiko Maas (SPD) kommen harte Zeiten zu.