Der Schattenmann

Saarbrücken. Verbittert? "Nein, vielleicht früher mal. Jetzt nicht mehr", sagt Robert Sigl. Und doch köchelt die Wut spürbar in dem Regisseur, wenn man auf "Rache-Engel" zu sprechen kommt: den letzten "Tatort" von der Saar mit Kommissar Max Palu

Saarbrücken. Verbittert? "Nein, vielleicht früher mal. Jetzt nicht mehr", sagt Robert Sigl. Und doch köchelt die Wut spürbar in dem Regisseur, wenn man auf "Rache-Engel" zu sprechen kommt: den letzten "Tatort" von der Saar mit Kommissar Max Palu. Kurz vor der Premiere im November 2005 hatte die "Bild"-Zeitung Sigls Krimi wegen einer drastischen Szene zum "Sex-Tatort" erklärt, worauf die ARD die Szenen entschärfte. Obwohl es im Film nicht um Spekulatives ging, sondern um sexuelle Gewalt, die maßgeblich für die Geschichte war. "Ich verstehe es bis heute nicht, wie die ARD vor so einem Käseblatt einknicken konnte." Einen weiteren "Tatort" von Sigl hat es seitdem nicht gegeben. "Mir hat das Ganze wahnsinnig geschadet", schätzt der 47-Jährige.

Überhaupt gibt es reibungslosere Karrieren als die des Bayern: Zwischen 1981 und 1986 studiert er an der Münchner Filmhochschule; 1988 gewinnt er mit dem poetisch-schaurigen Film "Laurin" den Bayerischen Filmpreis als bester Nachwuchsregisseur. Da ist Sigl 25 und gilt als frisches Talent des phantastischen Films - "ich liebe bis heute die düsteren Bilder, das Märchenhafte, das Mythische." Doch wer das nicht zu lieben scheint, das sind die deutschen Fördergremien. "Von denen fühle ich mich seit 'Laurin' vor 20 Jahren sehr im Stich gelassen." Immer mal wieder bekomme er eine Drehbuchförderung - ein Film auf der Basis dieses Drehbuchs werde dann aber nie unterstützt. Woran liegt's? An den oft düsteren Sujets, schätzt Sigl, und am Einfluss des Fernsehens auf die Filmförderung. "Die wollen am liebsten Filme mit einer Freigabe ab zwölf Jahren fördern, die man dann um 20.15 Uhr im Fernsehen zeigen kann." Ein "rein wirtschaftlicher Gedanke", der eine Filmlandschaft rasch zur Monokultur mache.

"Wie im Daily Soap-Betrieb"

Während Sigl mühsam an der Finanzierung eigener Kino-Projekte werkelt, bietet ihm das Fernsehen, wenn keine wirkliche thematische Heimat, so doch eine Möglichkeit des Weiterarbeitens und des Broterwerbs. Nach einigen Folgen der ZDF-Reihe "Der Ermittler" hat er zuletzt fürs österreichische Fernsehen an Episoden von "Soko Wien" gearbeitet. Die Folgen des von der gesamten TV-Branche beklagten Sparkurses spürt auch Sigl: "Die Drehbedingungen sind sehr hart. Wenn da was Ordentliches herauskommt, gebührt dem Team eigentlich ein Sonderpreis. Die Regisseure kommen im fliegenden Wechsel. Ich habe mich dem Team direkt am Set vorstellen müssen. Das sind Arbeitsbedingungen wie im Daily-Soap-Betrieb." Einen Einfluss auf den Stoff habe man als Regisseur kaum, immerhin könne man aber bei der optischen und atmosphärischen Gestaltung und bei der Auswahl der Drehorte noch so etwas wie eine eigene Handschrift zeigen.

Weit mehr am Herzen liegt Sigl zurzeit ein Kinoprojekt, dass konkrete Formen annimmt - nach Jahrzehnten des Vorbereitens, des mehrfachen Umschreibens und der immer wieder scheiternden Finanzierungs-Versuche: "The Spider". Um einen US-Studenten soll es gehen, der seine Familie in Istanbul aufsucht, um seine Schwester aus den Klauen der Eltern zu befreien. Doch die ist besessen vom Geist der Arachne, einer Rachegöttin des alten Byzanz. Das mag sich krude lesen, und man kann sich die langen Gesichter in den Fördergremien genau vorstellen. Doch Sigl schwebt kein vordergründiger Horror vor. "Es geht vielmehr um die Zersetzung der Familie - der Film wird eine sehr schwarze Komödie." 20 Millionen Dollar wollen Sigl und sein US-Produzent Gil Pinon zusammenbekommen.

Bekannte Namen könnten dabei helfen. Seit Sigl dem Darsteller Malcolm McDowell ("Uhrwerk Orange") bei Dreharbeiten zur Science-Fiction-TV-Serie "Lexx" das Buch zu "The Spider" gab, ist der mit an Bord. Ebenso wie der Filmkomponist Howard Shore, der die "Herr der Ringe"-Trilogie untermalte und sich als Hauskomponist von Regisseur David Cronenberg ("Crash") als Meister des subtilen Klanggrusels erwies. Ein Name, der bei der Finanzierung aus dem Ausland helfen könnte, signalisiert er doch, dass hier kein Grusel von der Stange geplant wird.

Gedreht werden soll ab Ende des Jahres, auf Englisch und überwiegend in Istanbul. Ganz in trockenen Tüchern ist das Projekt noch nicht. Das weiß niemand besser als Sigl, das Talent mit den vielen Rückschlägen. Als Anhänger eines Genre-Kinos, das im eigenen Land keine Lobby besitzt, hat er es schwer. Gut könnte man sich den Polanski-Fan Sigl in einer anderen Ära des phantastischen Films vorstellen, im stilvollen Italo-Grusel der 60er Jahre oder in der britischen Kinolandschaft, als das heute legendäre "Hammer"-Studio die Welt mit fantasievollen, oft poetischen Schauergeschichten belieferte. "Ich würde mich gerne in eine andere Zeit wünschen", sagt Sigl. "Da wäre ich besser aufgehoben."

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