Der Reiz der runden Kanten

Hamburg. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm

 Design-Verwandte, mal rund, mal eckig und durchweg zeitlos: links ein Apple-Computer von 1990, in der Mitte ein 1956er Plattenspieler von Braun, rechts ein Sony-Walkman aus dem Jahr 1979. Fotos: Raacke/MKG

Design-Verwandte, mal rund, mal eckig und durchweg zeitlos: links ein Apple-Computer von 1990, in der Mitte ein 1956er Plattenspieler von Braun, rechts ein Sony-Walkman aus dem Jahr 1979. Fotos: Raacke/MKG

Hamburg. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Dass sich diese Redensart auch auf die Produkte des kalifornischen Computergiganten Apple anwenden lässt, beweist eine Design-Schau im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe (MKG): "Stylectrical - Von Elektrodesign, das Geschichte schreibt" heißt sie etwas umständlich und fragt nach den designhistorischen Wurzeln der vielfach für ihre gute Form ausgezeichneten High-Tech-Produkte aus dem kalifornischen Cupertino.Eine Apple-Ausstellung mehr also? Hatte doch das Frankfurter Museum für Angewandte Kunst noch im Frühjahr "Macht, Mythos und Magie" der Marke Apple in der Schau "Der i-Kosmos" auf den Prüfstand gestellt - und war damit bei Kritik und Publikum ziemlich auf die Nase gefallen. Allzu trocken und steril kamen die in Vitrinen verbannten Schmuckstücke der Computer-Avantgarde daher.

Auf derartige Musealisierungen verzichtet man klugerweise in Hamburg. Die meisten Stücke stehen ganz einfach auf Podesten - etliche dürfen sogar berührt werden. Der junge Hamburger Designer René Hellmann hat zudem ein innovatives Wegeleitsystem entworfen, das verschiedene Annäherungen ermöglicht. "Wir wollten keine Exponate in Vitrinen ausstellen, sondern die Gebrauchsgegenstände so zeigen, wie sie auch im Alltag benutzt werden", sagt Ina Grätz, die neue Design-Kuratorin am MKG. Die multimediale Schau versucht die Besucher zu aktivieren, indem sie Verbindungen aufzeigt und auch Ausblicke wagt. Die Entwürfe des 1967 geborenen Briten Jonathan Ive, der seit 1997 Chefdesigner von Apple ist, bilden das Rückgrat der Ausstellung. Ive war es, der das Styling der Marke emotionalisierte - von ihm stammen die abgerundeten Kanten. Aber auch die bonbonbunten iMacs der Neunziger Jahre mit ihren transparenten Gehäusen, die den damals allgegenwärtigen beigefarbenen No-Name-Computern zumindest ästhetisch Paroli boten. Und er steht auch hinter dem cool-minimalistischen Alu-Look heutiger Apple-Produkte. Ives benutzerfreundlichen Stil-Ikonen vorangestellt sind die älteren Macintosh-Entwürfe des deutschen Apple-Designers Hartmut Esslinger. Exkurse in die Welt der Mode, des Möbeldesigns oder der Pop- und Alltagskultur rund um 30 Jahre Apple stellen die Exponate in den Fluss zeitgenössischer Designströmungen.

Dennoch: "Das soll hier keine Jubelveranstaltung für Apple werden", betont Pressesprecherin Michaela Hille die Unabhängigkeit von dem Computerriesen. Die harten Arbeitsbedingungen in den asiatischen Apple-Fabriken werden ebenso thematisiert wie die Umweltproblematik gerade beim Recycling. Im Zentrum von "Stylectrical" stehen zwar die Produkte der Firma Apple. Doch 300 der 400 Exponate sind ganz anderer Herkunft: Sie stammen zum Beispiel vom legendären Elektronikhersteller Braun und dessen Chefdesigner Dieter Rams, der zeitlos schlichte Entwürfe bevorzugte. Kuratorin Ina Grätz zeigt frappierende Verwandtschaften auf: Kombiniert mit einer aktuellen Apple-Tastatur, wirkt der formal an einen modernen Flat-Screen erinnernde Braun-Lautsprecher LE1 aus dem Jahre 1959 plötzlich so, als hätte er für den iMac Pate gestanden. Das Braun-Transistorradio T3 von 1958 wiederum mit seiner schnörkellosen Drehscheibe zum Einstellen der Frequenzen mutet an wie ein Urahn des iPods.

Wohin der aktuelle Hype um iPhone, iPod, iPad und Konsorten auch führen kann, zeigt die Schau am Ende. Das dort versammelte Kabinett der Schrecklichkeiten reicht vom gehäkelten High-Tech-Futteral über Aufkleber zum "Personalisieren" bis hin zum Gag-Eierbecher namens Ei-Pott. Dessen Vertrieb hatte die zur Zeit teuerste, sicher aber nicht humorvollste Marke der Welt 2010 gerichtlich verbieten lassen.

Bis 15. Januar 2012. Katalog: Apple-Design, Hatje Cantz, 320 Seiten, 29 Euro (Museumsausgabe), 39,80 Euro (Buchhandelsausgabe). Internet: www.mkg-hamburg.de

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