Der Preis des Atomausstiegs

Berlin. Irgendwann soll es in Biblis, Neckarwestheim und Brunsbüttel wieder grüne Wiesen geben. Die Kernkraftwerke werden Stück für Stück über Jahrzehnte zurückgebaut, die radioaktiven Teile abtransportiert und tief in der Erde endgelagert. Soweit die Theorie

Berlin. Irgendwann soll es in Biblis, Neckarwestheim und Brunsbüttel wieder grüne Wiesen geben. Die Kernkraftwerke werden Stück für Stück über Jahrzehnte zurückgebaut, die radioaktiven Teile abtransportiert und tief in der Erde endgelagert. Soweit die Theorie.Doch ein Jahr nach der Atom-Kehrtwende von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gibt es bisher für keinen der acht stillgelegten Meiler einen konkreten Rückbauplan. Nicht vor 2040 oder 2050 dürfte das Kapitel Kernenergie abgeschlossen sein, auch wenn 2022 der letzte Meiler vom Netz geht. Und eine Studie zeigt nun, welche finanziellen Risiken bei Rückbau und Endlagerung lauern könnten.

Das Forum ökologisch-soziale Marktwirtschaft (FÖS) hat für die Umweltschutzorganisation Greenpeace ausgerechnet, dass mindestens 34 Milliarden Euro zu veranschlagen seien. Da wegen Ungewissheiten bei den Endlagerkosten mit weiteren Steigerungen gerechnet werden müsse, sollten sogar 44 Milliarden Euro auf die hohe Kante gelegt werden, heißt es in der Studie.

Da eine Pleite bei Eon, RWE, EnBW und Vattenfall nicht ausgeschlossen werden könne und die Rücklagen nicht insolvenzsicher seien, wird zur Absicherung ein öffentlich-rechtlicher Atomfonds vorgeschlagen. In diesen sollten die Unternehmen einen Teil der Kosten einzahlen, vor allem für die Endlagerung. "Die Bundesregierung muss die Steuerzahler vor einem finanziellen Desaster schützen und die Kostenübernahme der Konzerne gesetzlich regeln", sagt der Leiter des Greenpeace-Energiebereichs, Thomas Breuer.

Sprecher von RWE und Eon beurteilen es als völlig abwegig, dass man sich aus der finanziellen Verantwortung stehlen könnte. Denn die Energiekonzerne sind seit Jahren verpflichtet, Milliardensummen für die Abwicklung der Atommeiler und die Endlagerung zurückzulegen. Die größere Gefahr für den Steuerzahler liegt daher wohl eher darin, dass milliardenschwere Schadensersatzklagen der Konzerne gegen Art und Weise des Ausstiegs vor Gericht Erfolg haben könnten. Die Unternehmensberatung Arthur D. Little hatte errechnet, dass der komplette Rückbau und die Entsorgung der acht stillgelegten und der neun noch laufenden Meiler mindestens 18 Milliarden Euro kosten könnte. Greenpeace rechnet mit 19 Milliarden Rückbaukosten für die bisher zehn stillgelegten und für die neun noch laufenden Meiler plus 15 Milliarden für die Endlagerung und zehn Milliarden Risikovorsorge. Die Rückstellungen von Eon, RWE, EnBW und Vattenfall betragen rund 30 Milliarden Euro - verzinst könnte man sich also der Mindestsumme von 34 Milliarden Euro nähern. Der Präsident des Atomforums, Ralf Güldner, verweist darauf, dass die Konzerne bisher bei Endlagerung und Rückbau allen Verpflichtungen stets nachgekommen sind. Greenpeace unterstelle einen geplanten Gesetzesbruch. "Das Rückstellungssystem hat sich seit Jahrzehnten bewährt und ist auch von der ehemaligen rot-grünen Bundesregierung gestützt worden."

Meinung

Ein müßiges Rechenwerk

Von SZ-RedakteurLothar Warscheid

Dass der Atom-Ausstieg nicht zum Nulltarif zu haben sein wird, ist eine Binsenweisheit. Welche Summen am Ende fließen, darüber lässt sich trefflich streiten, da technisches Neuland betreten wird. Es muss nur sichergestellt werden, dass die Rückstellungen insolvenzsicher sind. Ob sie von den Energie-Unternehmen oder einem öffentlichen Fonds verwaltet werden, ist zweitrangig. Konkret messbare Mehrkosten dürften aber rasch durch das Hauruck-Verfahren entstehen, mit dem der Atomausstieg in Deutschland durchgezogen wird. Das erzwungene Abschalten von acht Atommeilern kam einer Enteignung gleich. Der milliardenschwere Schadenersatz wird dem Steuerzahler vermutlich bald auf die Füße fallen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort