Der Praktiker

Spiesen · Krimis, Fantasy, Spiele, Kinder- und Jugendbücher: Von seinen über 70 Werken hat Jens Schumacher insgesamt 1,5 Millionen Exemplare verkauft. Wir haben den Autor, der sein Gewerbe mitunter kritisch sieht, in Spiesen zu einem Kaffee getroffen.

 Jens Schumacher vor einem seiner gut gefüllten Bücherregale. Foto: tok

Jens Schumacher vor einem seiner gut gefüllten Bücherregale. Foto: tok

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Neidisch werden kann man im Angesicht dieses Arbeitsplatzes. "Heute morgen standen Rehe vor meinem Schreibtischfenster", sagt Jens Schumacher, während er in der Küche die Kaffeemaschine befüllt. Ende 2014 zog er mit 5000 Büchern von Mainz hierher nach Spiesen , Wald vor der Nase und Huftiere in Sichtweite. Eine nahezu biblische Ruhe - unterbrochen nur vom kurzen Röcheln der Kaffeemaschine.

Seit 19 Jahren schreibt der 41-Jährige, seit 13 ist er selbstständiger Schriftsteller - kein Begriff, den er mag, "Das klingt manchmal etwas pompös. Ich nenne mich lieber Autor", sagt Schumacher, kein Freund prätentiöser Künstlerrhetorik. Er spricht lieber von Handwerk, und das nimmt er sehr ernst. Zumal er meist im Feld der Fantasy arbeitet, auf dem es manche Kollegen mit der Finesse nicht immer genau nehmen - mit denen will er nicht in einem Topf landen. "Nach dem Kino-Erfolg von ‚Herr der Ringe' herrschte bei den Verlagen einige Jahre lang Goldgräberstimmung", erzählt Schumacher, "jeder Depp durfte Trilogien im Backstein-Format schreiben". Zu vieles werde produziert, zu vieles sei handwerklich schlecht: "Da kommen zu viele Leute aus ihrem Keller und schreiben das runter, was sie gerade beim Rollenspiel erlebt haben."

Mit dem Kaffee geht es in den ersten Stock. Schwere, lederne Clubsessel, ein großer Globus, afrikanische Kunst an der Wand, Pfeil und Bogen. "Mein Opa war Großwildjäger", erzählt Schumacher, "an den Pfeilen in dem Köcher da", er zeigt auf die Wand und macht eine Spannungspause, "könnte noch Curare-Gift sein, absolut tödlich". Gut zu wissen.

Schumachers Arbeitszimmer ist keine chaotische Kreativhöhle, sondern penibel aufgeräumt. Er ist gut organisiert und muss es auch sein - das Jahr ist präzise durchgetaktet nach Abgabeterminen. Hier entstehen die Abenteuer des Satansbratens Asmoduin, die makabren "Black Stories"-Rätselspielkarten, düstere Krimis und vieles mehr. Die Gesamtauflage liegt bei 1,5 Millionen; Schumacher kann gut vom Schreiben leben, woran er früher nicht gedacht hätte. Zwar hat er aus Liebe zur Sache Amerikanistik, Komparatistik und Buchwissenschaft studiert, das sei aber ja "eine klassische Kombination, um später Taxi zu fahren". Sehr naiv sei er damals gewesen, "aber ich hatte viel Glück". Während des Studiums übersetzte er für Verlage, schrieb und rutschte langsam in den Beruf hinein. Den Durchbruch brachte 2002 ein Regionalkrimi, bei den ersten Interviews "fühlte sich das erstmals an wie ein richtiger Beruf".

Daraus, dass manche seiner Werke Auftragsarbeiten sind, macht der Pragmatiker Schumacher keinen Hehl. "Der magische Stein" etwa sei die Idee seines damaligen Agenten gewesen - 12 Bände sind erschienen. Früher hat er bisweilen auch unter Pseudonym geschrieben, nicht alles lag ihm gleichermaßen am Herzen - "350 Seiten rausgehauen, 5000 Mark verdient". Ausgefüllt hat ihn das nicht. "Man will ja kein Lohnsklave sein. Wenn man Briketts für Bastei schreibt, kann man auch in die Fabrik gehen." Ins kommerziell Blaue plant Schumacher nicht, wenn er Konzepte anbietet, aber sich "zu sehr nach Trends zu richten, ist gefährlich". Viele Verlage hätten sich etwa an den Erfolg von "Twilight" gehängt und massenweise Vampir-Romanzen in Auftrag gegeben - "bis die herauskamen, war der Trend schon wieder vorbei".

Ein Drittel von Schumachers Einkünften machen Lesungen und Workshops aus, 2015 ist verplant, 2016 zum Teil auch schon; vergangene Woche war er in Bremen, in dieser liest er für den Friedrich-Bödecker-Kreis an saarländischen Schulen. Den Kontakt zu den Lesern schätzt Schumacher sehr, mehr als manche Unterkünfte auf Lesereise - bei einer zweifelhaften Pension war der Norovirus im Preis inbegriffen.

Die aktuelle Lage im Fantasy- und Krimibereich sieht Schumacher zwiespältig. Zwar hätten die Verlage heute mehr Mut, mit deutschen Autoren zu arbeiten, und lizenzierten US-Ware nicht mehr reflexhaft. Aber die Geduld nehme ab. "Wenn der Start einer geplanten Reihe nicht sofort einschlägt, wird sie eingestampft. Ein Dutzend Novitäten wird an die Wand geklatscht - nur was kleben bleibt, wird weitergeführt." Fatal für noch nicht etablierte Kollegen, "Autoren werden nicht mehr langfristig aufgebaut".

Schumacher weiß, was Leser wünschen und was nicht: sprachliche Experimente oder ausufernde Nebensätze etwa, für ihn ohnehin "ein Konzept aus Studententagen". Da hat auch er "armdicke Bücher geschrieben"; heute überarbeitet er Texte ein halbes Dutzend Mal, streicht, dampft ein, wobei er sprachlich nicht unterscheidet zwischen Jugend- und Erwachsenenbüchern, nur inhaltlich - bei ersteren gebe es "weniger Sex und Gewalt".

Mit dem digitalen Buchmarkt hat Schumacher seine Probleme: "Durch das E-Publishing kann jeder irgendwas herausbringen und sich dann fühlen wie Wolfgang Hohlbein, der 30 Millionen Bücher verkauft hat". Das sei das generelle Problem des Internet: "Jeder denkt, er hat etwas zu sagen, und sagt das dann auch - das ist soziokulturell das Schlimmste, was uns das Internet angetan hat." Online-Rezensionen oder Kommentare zu seinen Büchern bei Amazon liest er er seit langem nicht mehr.

Der Kaffee ist getrunken, es geht wieder in Richtung Treppenhaus. Neben der Haustür steht ein kleines Regal mit Büchern und DVDs - jeder Besucher kann sich beim Abschied etwas mitnehmen. Von einem Stück rät Schumacher aber ab - einem Fantasy-Schmöker in goldenem Einband, so breit wie ein Oberarm. "Der ist von einer Kollegin, die auch nicht weiß, wann man es gut sein lässt." Schumacher nimmt sein Handwerk eben sehr ernst.

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HintergrundZu Jens Schumachers über 70 Büchern und Spielen gehören Krimis wie "Der Schädeltypograph" und "Die Menschenscheuche", die er mit dem Co-Autor und altem Freund Jens Lossau zusammen schreibt. Für Kinder- und Jugendliche hat er Reihen wie "Der Magische Stein", "Die Welt der 1000 Abenteuer" und "Professor Berkley" geschrieben. Gerade erschienen ist das Fantasy-Buch "Die Wüstengötter"; das 007-Sachbuch "Bondify your Life" ist in Vorbereitung.Kontakt: www.jensschumacher.eu red

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