Der Phallus und die Kettensäge

Der Horrorfilm und besonders sein "Slasher"-Subgenre, in dem bevorzugt Frauen von messertragenden Männern verfolgt werden, galten lange als Kino von Männern für Männer und als frauenfeindlich dazu

 Regisseurin Katharina Klewinghaus. Foto: Henrik Jordan

Regisseurin Katharina Klewinghaus. Foto: Henrik Jordan

Der Horrorfilm und besonders sein "Slasher"-Subgenre, in dem bevorzugt Frauen von messertragenden Männern verfolgt werden, galten lange als Kino von Männern für Männer und als frauenfeindlich dazu. Jetzt erwärmt sich die feministische Filmkritik für diese Art des Horrorkinos - wie kommt das?

Klewinghaus: In der feministischen Theorie wurde bis in die 90er Jahre immer sehr stark gegen den Horrorfilm gewettert. Als Carol J. Clover 1992 ihr Buch "Men, Women, and Chainsaws: Gender in the Modern Horror Film" veröffentlichte, hat sich das geändert: Dass eine Akademikerin der Elite-Universität Berkeley das Genre einmal vorurteilsfrei analysiert, das allein war schon ein revolutionärer Moment. Und Clover kam zu neuen Thesen: Der männliche Zuschauer hat kein sadistisches Vergnügen am Film, sondern identifiziert sich mit dem Opfer, mit der Frau auf der Leinwand, was sich in Richtung Masochismus bewegt. Clover hat gezeigt, dass das Genre vielschichtiger ist als allgemein angenommen und mit vielen Möglichkeiten der Identifizierung arbeitet.

Hatte sie eine Rehabilitierung des Genres im Sinn?

Klewinghaus: Nein, sie wollte das Genre weder vor der Kritik retten noch zur Hochkultur erklären - sie war einfach fasziniert von dem Stoff und hat sich intensiv mit ihm beschäftigt. Nach der Veröffentlichung des Buchs schrieben ihr viele Horrorfans: "Endlich versteht uns mal jemand." Das war ihr sehr unangenehm, denn den frauenfeindlichen Subtext des Genres wollte sie nicht ganz wegdiskutieren.

Haben Sie das Gefühl, dass die Frauenfiguren im Horrorfilm stärker geworden sind?

Klewinghaus: Ja - seit den 70er Jahren gibt es Entwicklungen, dass die Frauen immer mehr an Macht und Stärke gewinnen. In "Texas Chainsaw Massacre" überlebt die weibliche Figur. In der Fortsetzung schwingt sie am Ende selbst die Waffe. Im "Hostel 2" hat die Frau am Ende die Macht nicht nur in körperlicher Hinsicht, sondern auch in wirtschaftlich-kapitalistischer - sie kauft sich frei. Diese starken Frauenfiguren ziehen sich ja bis in den Mainstream hinein, zum Beispiel bei den jüngeren Filmen von Quentin Tarantino. Diese Entwicklung ist nicht in jedem Film sehr durchdacht oder subtil, aber durchaus interessant.

Und manchmal progressiver als das Frauenbild, das manche so genannte Frauenfilme des Mainstream vertreten.

Klewinghaus: Vieles, was aus Hollywood kommt, ist eigentlich haarsträubend, wenn man sieht, wie da der Geschlechterunterschied traditionell konstruiert wird. Ich glaube auch, dass das der Grund ist, dass zum Beispiele Akademikerinnen und Filmwissenschaftlerinnen mehr Spaß an den modernen Horrorfilmen haben: Dort werden mitunter Geschlechterklischees gebrochen, die im Mainstreamfilm immer wieder bedient werden.

Nur - wenn die Frau am Ende die Macht übernimmt und die Kettensäge schwingt, hat sie die Macht nur, weil sie männlich geworden ist, nicht, weil sie der männlichen Gewalt etwas Weibliches entgegenzusetzen hätte

Klewinghaus: Das mag sein. Dieses Übernehmen des Phallischen ist erstmal eine sehr einfache Symbolik. Doch eigentlich geschieht da mehr: Dadurch, dass die phallische Macht so austauschbar ist, wird klar, dass diese Macht etwas Künstliches, etwas gesellschaftlich Konstruiertes ist, das man dem Träger ohne weiteres wieder nehmen kann.

Sie haben den Film mit Diskussionen in einigen Städten begleitet. Wie waren die Reaktionen?

Klewinghaus: Im Allgemeinen sehr gut. Manchmal kamen natürlich auch Leute, die dem Thema gegenüber große Vorbehalte haben. Die meisten Besucher aber haben ja ein Interesse am Thema, ob sie nun aus dem akademischen Umfeld kommen oder aus der Horror-Ecke. In Nürnberg hatte ich eine unglaubliche, zweistündige Diskussion mit großen Kennern der Materie. Es gibt aber auch Genre-Liebhaber, die den Film ablehnen, weil er essayistisch und wissenschaftlich ist, sich außerdem noch mit Feminismus auseinander setzt und von einer Frau gedreht wurde.

"Science of Horror" läuft morgen um 20 Uhr im Kino Achteinhalb, im Rahmen der Reihe "Zensur" der Filmfreunde Saar. Danach diskutieren Manfred Hahn, Ausschussvorsitzender der Freiweilligen Selbstkontrolle (FSK) und Jugendschutzbeauftragter des Saarlandes, und Yazid Benfeghoul, Herausgeber des St. Ingberter "Deadline"-Magazins.

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