Der Kampf ums Wissen

Meinung · Wissen ist Macht. Kein Wunder, dass Chinas Kommunisten es als Angriff betrachten, dass der US-Konzern Google den Chinesen ungefilterten Zugang zu Informationen ermöglichen will. Die Kontrolle darüber, was das Volk wissen darf, etwa über das Tiananmen-Massaker, ist eine Säule der Pekinger Ein-Partei-Diktatur. Die Chinesen sollen die Welt so sehen, wie der Propaganda-Apparat sie ihnen präsentiert

Wissen ist Macht. Kein Wunder, dass Chinas Kommunisten es als Angriff betrachten, dass der US-Konzern Google den Chinesen ungefilterten Zugang zu Informationen ermöglichen will. Die Kontrolle darüber, was das Volk wissen darf, etwa über das Tiananmen-Massaker, ist eine Säule der Pekinger Ein-Partei-Diktatur. Die Chinesen sollen die Welt so sehen, wie der Propaganda-Apparat sie ihnen präsentiert. Wissen ist ein Menschenrecht, das Chinas Regierung seiner Bevölkerung vorenthält. Darauf beruft sich Google bei seiner Entscheidung, Pekings Zensurbestimmungen nicht länger zu akzeptieren und seinen chinesischen Suchdienst künftig von Hongkong aus zu betreiben. Es ist ein mutiger Schritt, mit dem Google sein Chinageschäft aufs Spiel setzt. Kein Konzern hat je Vergleichbares gewagt. Doch Wissen ist nicht nur Macht und Menschenrecht, sondern auch eine Ware - und niemand verdient damit mehr Geld als Google. Unternehmerisch betrachtet ist der Kampf gegen Chinas Zensoren kein moralisches Heldenstück, sondern eine betriebswirtschaftliche Vernunftentscheidung. Googles vierjährige Präsenz in der Volksrepublik ist keine Erfolgsgeschichte. Mit 200 Millionen Dollar im Jahr macht das Chinageschäft kaum ein Prozent des Gesamtumsatzes aus. Chinas Regulatoren haben verhindert, dass die Amerikaner ihre Marktdominanz entfalten konnten. Unter diesen Bedingungen dürfte Google zu der Erkenntnis gelangt sein, dass der chinesische Markt mehr Risiken als Chancen birgt. Nicht böse sein ist einfach, wenn es den eigenen Interessen dient. Ob sich Google tatsächlich vollständig aus China zurückziehen muss oder lukrative Geschäftszweige wie den Werbeverkauf behalten kann, liegt in der Hand der chinesischen Regierung. Zwar könnte sie Google kurzerhand blockieren, doch damit würde sie Millionen Benutzer mit der Nase darauf stoßen, wie weit sie für die Zensur zu gehen bereit ist. Deshalb dürfte sie sich wohl entscheiden, den Status quo zumindest vorerst zu akzeptieren. Obwohl Peking den Umzug nach Hongkong als groben Affront bezeichnet, könnte er sich als Lösung erweisen, bei der beide Seiten ihr Gesicht wahren. China kann behaupten, sich mit der Forderung durchgesetzt zu haben, Google müsse die Gesetze des Landes respektieren. Allerdings wird Benutzern von Google.cn stärker als vorher bewusst werden, dass etwas nicht stimmt. Denn während die Selbstzensur der Suchmaschinen dazu führen soll, dass nur harmlose Ergebnisse angezeigt werden, greift die Zensur bei ausländischen Suchdiensten erst, wenn ein Link geöffnet werden soll. Jeder wird dann merken, dass ihm ein Teil des Wissens der Welt vorenthalten wird.

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