Der Fluch des frühen Glanzes

Meinung · Es sind Schicksalstage für Barack Obama. Beim Parteitag der US-Demokraten in Charlotte, der heute beginnt, muss er das Feuer in den Herzen seiner Anhänger neu entfachen. Der Hoffnungsträger von 2008 braucht die Begeisterung der jungen Wähler, der Frauen, Akademiker und Latinos, die ihm damals zu einem historischen Sieg verholfen hatten

Es sind Schicksalstage für Barack Obama. Beim Parteitag der US-Demokraten in Charlotte, der heute beginnt, muss er das Feuer in den Herzen seiner Anhänger neu entfachen. Der Hoffnungsträger von 2008 braucht die Begeisterung der jungen Wähler, der Frauen, Akademiker und Latinos, die ihm damals zu einem historischen Sieg verholfen hatten. Ohne deren tatkräftige Unterstützung dürfte es für den ersten schwarzen Präsidenten schwierig werden, eine weitere Amtszeit im Weißen Haus zu erreichen.Zu schaffen machen Obama dabei die hohen Erwartungen, die er einst selbst geweckt hatte. Von der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit über den Klimaschutz bis hin zum Abbau der Rekordverschuldung gehen die Dinge nicht so schnell voran, wie sich seine Wähler dies gewünscht hätten. Zwei Drittel der Amerikaner glauben weiterhin, dass sich die Supermacht in die falsche Richtung bewegt.

In Charlotte muss Obama deshalb in Erinnerung rufen, wie er die heimische Wirtschaft zumindest vor dem Absturz in eine Depression bewahrt und das ramponierte Ansehen der USA in der Welt erneuert hat. Er hat jedes Recht, sich mit dem erfolgreichen Schlag gegen Osama bin-Laden zu rühmen, den Truppenabzug aus dem Irak zu feiern und den Anfang vom Ende des Afghanistan-Einsatzes hervorzuheben. Innenpolitisch gelang dem Präsidenten die - noch immer hoch umstrittene - Jahrhundertreform des Gesundheitswesens. Er stellte neue Regeln für die Finanzmärkte auf und schaffte die Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Soldaten ab. All das gelang gegen eine Opposition, die ihre Sperrminorität im Senat dazu missbrauchte, jede Veränderung aufzuhalten mit dem Ziel, Obama eine zweite Amtszeit zu verweigern.

Der große Redner, der seine Landsleute und die Welt im vergangenen Wahlkampf mit Worten zu betören verstand, erwies sich im Amt als überraschend schlechter Kommunikator. Statt seine Reformen zu erklären, blieb Obama zu oft stumm. Damit überließ er es den Republikanern, seine Politik zu interpretieren. Resultat war eine Karikatur, die den Leistungen dieses Präsidenten nicht gerecht wird. In Charlotte hat er die Chance, diese Wahrnehmung zu korrigieren und die Wähler vor eine klare Alternative zu stellen.

Sein Konkurrent Mitt Romney lieferte ihm dafür ungewollt eine Steilvorlage: Beim Parteitag der Konservativen in Tampa vermittelten der Kandidat und seine Partei den Eindruck, im vergangenen Jahrhundert stecken geblieben zu sein. Das reaktionäre Parteiprogramm der Republikaner und Romneys nostalgisch verklärtes Beschwören der 50-er Jahre machen es Obama einfach, den anstehenden Endspurt aufs Weiße Haus zu einer Entscheidung zwischen dem Gestern und der Zukunft zu stilisieren.

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