"Der Film wollte überleben"

Wie sehen sie die katastrophalen Dreharbeiten von "Das Kabinett des Doktor Parnassus" rückblickend?Gilliam: Ich weiß selbst nicht so genau, was das eigentlich war. Keine der üblichen Regeln des Filmemachens kam zur Anwendung. Vielleicht war das sogar gut so. Der Film wollte überleben, der Rest von uns sagte einfach "Augen zu und durch"

Wie sehen sie die katastrophalen Dreharbeiten von "Das Kabinett des Doktor Parnassus" rückblickend?Gilliam: Ich weiß selbst nicht so genau, was das eigentlich war. Keine der üblichen Regeln des Filmemachens kam zur Anwendung. Vielleicht war das sogar gut so. Der Film wollte überleben, der Rest von uns sagte einfach "Augen zu und durch". Ehrlich gesagt, habe ich schon vieles vergessen, was mit dem Film zusammenhängt. Es war einfach alles zu viel.Es muss mehr als schwierig gewesen sein, den Verlust Ihres Freundes und Hauptdarstellers Heath Ledger verkraften zu müssen.Gilliam: Als er starb, wollte ich von dem Film nichts mehr wissen. Aber ich war von Leuten umgeben, die nicht zulassen wollten, dass ich mich zurückziehe. Meine Tochter und Produzentin Amy und Kameramann Nicola Pecorini sagten, dass wir etwas tun müssen. Für mich war klar, dass ein Einzelner allein unmöglich die Rolle von Heath übernehmen könnte. Wir schrieben das Skript wie im Fieberwahn um und veränderten vieles. Johnny Depp, Jude Law und Colin Farrell haben uns gerettet. Wie kamen Sie auf diese drei?Gilliam: Ich wollte nur mit Freunden und Bekannten von Heath zusammenarbeiten, es sozusagen in der Familie belassen. Natürlich war die Organisation ein Albtraum. Wir wussten nie, wer wann zur Verfügung stehen würde. Wir hatten keine Zeit für Proben und ich konnte ihnen nur ein paar Szenen zeigen, die wir schon gedreht hatten. Es war sehr mutig von ihnen, sich darauf einzulassen. Es hieß, die Rolle des psychopathischen Joker in "Dark Knight" hätte Ledger überbeansprucht. Welchen Eindruck hatten Sie?Gilliam: Das ist Schwachsinn. Heath spielte sehr gerne in "The Dark Knight". Man hat versucht, sein Schicksal auf eine einfache Hollywood-Geschichte zu reduzieren, aber sie stimmt einfach nicht. In Heath existierte kein Platz für Neurosen, er war voller Leben. Alles andere ist Lüge.Wie werden Sie ihn in Erinnerung behalten?Gilliam: Wenn man Heath in "Brothers Grimm" anschaut und dann in "Brokeback Mountain", kann man kaum glauben, dass es sich um ein und denselben Schauspieler handelt. Er war ein Genie. Das Schreckliche ist, dass sein volles Potential nicht ausgeschöpft wurde.Wie hat sich das Kinopublikum in den letzten 20 Jahren verändert? Wäre "Der König der Fischer" heute noch ein Erfolg?Gilliam: Ich weiß es nicht. Wäre Monty Python ein Erfolg, würde man die Truppe heute gründen? Ich bin mittlerweile alt und kein guter Richter. Ich finde aber, dass man die Leute immer und immer wieder mit demselben Typ Film abfüttert. Es ist wie in der Popmusik, man kennt den Rhythmus eines Filmes ganz genau. Wenn ich mir die Trailer zu Filmen wie "G.I. Joe", "Transformers" oder sogar "Harry Potter" anschaue, ist es immer derselbe verdammte Trailer. Der Rhythmus ist identisch. Niemand hat mehr einen Riesenspaß an einem Film, niemand denkt anschließend über ihn nach. Kein Leben wird dadurch verändert. Sie bekommen ihre zwei Stunden "Dam-da-dam - Bumm! - Dam-da-dam - Bumm! Ich warte immer darauf, dass die Leute zorniger werden über das, was man ihnen anbietet. Aber ich glaube nicht, dass das wirklich passiert. Sie sind mittlerweile wie Pawlowsche Hunde."Das Kabinett des Dr. Parnassus" startet im Cinestar (Sb), Movie World (Sls) und im Zweibrücker Cinema Europa.

Auf einen BlickDie anderen neuen Filme der Woche: Das Saarbrücker Filmhaus zeigt den gefühlvollen Film "Wendy and Lucy" über eine junge Frau (Michelle Williams), die in einem verschlafenen Nest ihren verloren gegangenen Hund sucht. Ebenfalls sehenswert ist die deutsche Studentenkomödie "13 Semester" mit Max Riemelt (Cinestar, Sb; Passage 2, Sb; Movie World, Sls). Betulich, aber mit Sandrine Bonnaire gut besetzt, ist der Film "Die Schachspielerin", in dem ein Zimmermädchen das Brettspiel entdeckt (Camera Zwo, Sb). Die durchschnittliche Action-Utopie "Gamer" (in einigen Kinos der Region) erzählt von Computerspielen der Zukunft, in der reale Menschen sich durch Scheinwelten kämpfen. In der vorhersehbaren Komödie "Haben sie das von den Morgans gehört?" (in vielen Kinos) verschlägt es ein Ex-Pärchen aus New York ins US-Hinterland. Es folgen ein Kulturschock und müde Faxen von Hugh Grant. redKinos und Kritiken morgen in der Beilage treff.region

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