Der Fall Guttenberg, oder: ein blendender Politiker

Berlin. Was für eine Story! Da betritt ein neuer Star die politische Bühne, dessen erfrischender Charme die Menschen fasziniert. Ein Aristokrat mit makellosen Manieren, der rhetorisch brillant die Welt erklärt. In Rekordzeit macht er Karriere, wird Hoffnungsträger für die gesamte politische Klasse

Berlin. Was für eine Story! Da betritt ein neuer Star die politische Bühne, dessen erfrischender Charme die Menschen fasziniert. Ein Aristokrat mit makellosen Manieren, der rhetorisch brillant die Welt erklärt. In Rekordzeit macht er Karriere, wird Hoffnungsträger für die gesamte politische Klasse. Die Berichterstattung über ihn hat Hymnen-Format, die "Bild"-Zeitung sehnt schon seine Kanzlerschaft herbei und poliert so intensiv an seinem Heiligenschein, dass man fast geblendet ist. Und nun soll dieser phänomenale Freiherr Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg ein plumper Blender sein, ein Plagiator, der sich den akademischen Adelstitel erschlichen hat?Guttenbergs Entwicklung vom unbekannten CSU-Politiker zur umschwärmten Top-Figur der Berliner Bühne ist bemerkenswert. Immerhin sechs Jahre lang saß der fesche Franke im Bundestag (seit 2002), ohne weiter aufzufallen. Wie wir heute wissen, hat er in jener Zeit seine Dissertation geschrieben, aber die Frage, wie sich diese zeitraubende wissenschaftliche Forschungsarbeit mit dem angeblich so aufreibenden Mandat eines Volksvertreters in Einklang bringen lässt, soll hier außen vor bleiben.

"E pluribus unum" - "Aus vielem eines", mit diesen Worten beginnt Guttenbergs Doktorarbeit und pikanter könnte es nicht sein. Denn der smarte Akademiker hat die Einleitung zu seinem 475 Seiten starken Werk nicht nur großflächig aus der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 27. November 1997 abgeschrieben; er soll zudem aus zahlreichen weiteren Quellen zitiert haben, ohne dies vorschriftsmäßig in Fußnoten vermerkt zu haben. Kein Wunder, dass daraus der Verdacht entsteht, Dr. zu Guttenberg habe tatsächlich aus vielen Gedanken anderer ein Werk gemacht hat: E pluribus unum.

Es war klar, dass sich alsbald die politischen Truppen in Stellung bringen würden, um entweder die Chance zur Offensive gegen Guttenberg zu nutzen oder aber Verteidigungsbataillone zu bilden. Die Opposition schießt aus allen Rohren ("Der Lack ist ab"), die Union ballert zurück ("Schmutzkampagne"). Der Personenkreis indes, dem getrost eine klammheimliche Freude über das Guttenbergsche Malheur unterstellt werden darf - nicht nur die CSU-Granden Horst Seehofer und Markus Söder beäugen den rasanten Aufstieg des Parteifreundes argwöhnisch - hält sich klug zurück. Von einem gewissen Interesse ist dabei auch die Rolle der "Bild"-Zeitung, die den Weg des adeligen Hoffnungsträgers überaus wohlwollend begleitet. Schon bei dem umstrittenen Truppenbesuch mit Gattin Stephanie und TV-Tross in Afghanistan im Dezember hatte das Boulevardblatt trotzig dagegen gehalten und alle "Nörgler, Neider, Niederschreiber" gemahnt, "einfach mal die Klappe (zu) halten!" Jetzt reitet die Springer-Zeitung erneut eine Attacke gegen die Kritiker: "Macht keinen guten Mann kaputt. Scheiß auf den Doktor!" Auch für den Boulevard wäre es fatal, wenn der auflagenträchtige Ideal-Star der Berliner Szene ausgerechnet über ein paar abgeschriebene Passagen stolpern würde.

Der Fall Guttenberg ist deshalb so spannend, weil der Minister mit Abstand der beliebteste Politiker Deutschlands ist und über enorme Vertrauenswerte verfügt. Er hat damit eine Fallhöhe erreicht, die niemanden mehr kalt lässt. Würde ihm am Ende der jetzt anlaufenden Prüfverfahren tatsächlich sein Dr.-Titel aberkannt, käme dies für die Union einem politischen GAU gleich: Der Mann, der mit und nach Angela Merkel der Union die Macht sichern soll, wäre entzaubert, angreifbar und blamiert, wenn sein größtes Kapital, die Glaubwürdigkeit, beschädigt würde. Womöglich gar irreparabel.

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