Der Cavaliere setzt auf neue Kraft

Rom · Ein strahlender Silvio Berlusconi lässt sich feiern. Zur Nationalhymne zieht er unter rauschendem Applaus von gut 600 Funktionären beim Parteitreffen in Rom ein – so sieht ein Sieger aus.

Tatsächlich aber steht Berlusconi vor den Scherben seiner alten Bewegung und muss befürchten, in der Opposition bedeutungslos zu werden. Der einst unbestrittene Anführer hat im Machtkampf mit seinem früher stets ergebenen politischen Ziehsohn Angelino Alfano, inzwischen Innenminister und Vizepremier, den Kürzeren gezogen - und damit wichtigen Einfluss auf die italienische Regierung verspielt. Die Parlamentarier und Regierungsmitglieder um Alfano sind nicht bereit, die große Koalition unter Enrico Letta platzen zu lassen, nur um dem rechtskräftig verurteilten Berlusconi sein Senatorenamt zu retten.

Am Samstag kam der offizielle Bruch: Berlusconi benannte seine Partei PdL (Volk der Freiheit) um in Forza Italia (FI). Unter dem Namen, einst Schlachtruf der Fußballfans für die Nationalmannschaft, hatte Berlusconi 1994 die strikt auf ihn ausgerichtete Partei gegründet und glanzvoll den Sprung in die Regierung geschafft; er wurde in der Folge Italiens Ministerpräsident mit der längsten Regierungszeit.

Per Handzeichen stimmten die Funktionäre nun für den neuen alten Namen. Keine Enthaltung, keine Gegenstimme. Natürlich ist Berlusconi der neue Parteichef. So kennt er es von früher. Gegen diesen autokratischen Stil hatte sich zunehmend Widerstand formiert - zumal der 77-Jährige angesichts seiner zahlreichen Gerichtsverfahren um Amtsmissbrauch, Steuerbetrug und Bestechung an Glaubwürdigkeit und Ruf verliert. Die Differenzen in der PdL kristallisierten sich an der Frage, wie sie mit dem drohenden Ausschluss des rechtskräftig wegen Steuerbetrugs verurteilten Berlusconi aus dem Senat umgehen soll. Berlusconi verlangte, dass die Partei - wenn es am 27. November zu dem Ausschluss kommt - aus der Regierung aussteigt. Ob das für sein Land und die angeschlagene Wirtschaft gut ist, diskutierte er nicht. Gegen dieses Vorgehen stellten sich vor allem die PdL-Regierungsmitglieder. Ihre Antwort auf die Neugründung der FI: eine Gruppe "Nuovo centrodestra" (Neue Rechte Mitte). Ihr gehören 30 Senatoren und 27 Abgeordnete an, genug, um der Regierung Enrico Lettas eine Mehrheit zu sichern. Die Abtrünnigen erschienen erst gar nicht mehr zu dem als großes Fest für Berlusconi geplanten Parteirat - etwa 250 Stimmberechtigte fehlten. So blieben Berlusconis Getreue unter sich, feierten mit "Silvio, Silvio"-Rufen sich und ihren Leader. "Forza Italia ist wiedergeboren dank Berlusconi, der sich entschlossen hat, sich für unser aller Wohlergehen ins Gefecht zu werfen", jubelte der Senator Vincenzo Gibiino.

"Forzasilvio" heißt Berlusconis Online-Plattform, und so sollen auch die örtlichen Gruppen der Partei heißen. Kraft - Forza - kann der Cavaliere brauchen. Sein politisches Lebenswerk ist bedroht. Nach einem wahrscheinlichen Ausschluss aus dem Senat stehen für ihn weitere unangenehme Termine an. Im Fall Ruby um Amtsmissbrauch und Sex mit minderjährigen Prostituierten droht Berlusconi eine mehrjährige Haftstrafe. Ein Verfahren wegen Bestechung ist in Vorbereitung. Und von der rechtskräftigen vierjährigen Strafe wegen Steuerbetrugs muss er auch noch ein Jahr absolvieren - er hat die Wahl zwischen Hausarrest und Sozialdienst.

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