Der Boss serviert ein Reste-Essen

Saarbrücken · Sein neues Album ist nur zum Teil neu – Bruce Springsteen hat für „High Hopes“ in seinem Archiv gekramt, Fremdkompositionen aufgenommen und ältere Songs neu eingespielt.

Womit kann man "High Hopes" vergleichen? Vielleicht mit einem Reste-Essen nach den Feiertagen. Anstatt ein weiteres Festmahl zu planen, wie das 2012 veröffentlichte Amerika-ist-ungerecht-und-ich-bin-wütend-Album "Wrecking Ball", hat Bruce Springsteen einfach mal geschaut, was noch so im Kühlschrank ist. Das warf er zusammen, rührte kräftig um und serviert nun zwölf Songs, von denen keiner richtig neu ist, aber alle sehr genießbar sind. "High Hopes" bietet Coversongs, neu aufgenommene Versionen bereits bekannter Stücke und sieben frische (wenn auch nicht frisch komponierte) Songs. Alte Kamellen seien das nicht, erklärte Springsteen dem amerikanischen "Rolling Stone". Er schreibe permanent Songs, "und deshalb ist mein Computer immer voller Demoaufnahmen, halbfertiger Ideen und bereits vollwertiger Songs, die es aus welchen Gründen auch immer noch nicht auf ein Album geschafft haben".

Tom Morello war eine treibende Kraft hinter "High Hopes". Der Gitarrist von Rage Against The Machine, Freund und gelegentlicher Kollaborateur Springsteens, ersetzte den Gitarristen Steve Van Zandt während der Tournee 2013. Und da die beiden ohnehin jeden Abend eine in Sachen Krach verschärfte Version der ursprünglichen Akustik-Ballade "The Ghost of Tom Joad" in die Stadien trugen, konnten sie diese Nummer auch gleich mal aufnehmen. Eine erste Springsteen-Fassung des Titelstücks "High Hopes", einer optimistischen Rock'n'Roll-Nummer, die im Original von der Band The Havalinas stammt, gibt es schon seit 1995. Damals nahm Springsteen sie als Bonus für ein "Greatest Hits"-Album auf, auf dem sie dann doch nicht erschien. Während das eindringliche, dem im Vietnamkrieg vermissten Musiker Walter Cichon aus New Jersey gewidmete "The Wall" selbst den eingefleischten Fans kaum bekannt sein dürfte, ist "American skin (41 shots)" fast schon mal ein Hit gewesen: Springsteen schrieb den Protestsong im Jahr 2000, nachdem New Yorker Polizisten den Schwarzen Amadou Diallo während eines Einsatzes zusammenschossen. Die bislang unveröffentlichten neu-alten, meist schnelleren Songs, die in den vergangenen 15 Jahren entstanden, bieten ein Wiederhören mit den verstorbenen Bandmitgliedern Clarence Clemons (Saxophon) und Danny Federici (Piano). Dass diese Stücke eigentlich alt sind, hört man ihnen freilich nicht an. Dieses zusammengewürfelte Album mag weder das Zeug noch den Anspruch zum Klassiker haben - der Konkurrenz ist es dennoch weit voraus.

Bruce Springsteen:

High Hopes (Sony).

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