Der Beatle und die Bilder

Merzig · John Lennon war der Chef der berühmtesten Band der Welt – und ein Multitalent: Neben der Musik schrieb Lennon Bücher, er fotografierte, drehte Filme – und zeichnete. In Merzig ist nun eine Auswahl seiner Kunst zu sehen.

 Im Bett liegend demonstrierten Lennon und Ono 1969 für den Frieden. Im selben Jahr entstand die Karikatur „War is Over“ (oben).

Im Bett liegend demonstrierten Lennon und Ono 1969 für den Frieden. Im selben Jahr entstand die Karikatur „War is Over“ (oben).

Er galt als der Intellektuelle der Beatles, der Querkopf, der Exzentriker, der geniale Künstler, der politische Aktivist, dessen Horizont weit über das Schreiben von Popsongs hinausreichte. Den anderen Bandmitgliedern, so heißt es oft, sei John Lennon in jeder Hinsicht weit überlegen gewesen. Auch wenn das allgemeine Narrativ an dieser Stelle wohl nicht ganz fair ist: Unbestreitbar war der gebürtige Liverpooler, der am 8. Dezember 1980 im Alter von 40 Jahren in New York von einem Verwirrten auf offener Straße erschossen wurde, eine außergewöhnliche Persönlichkeit, ein großer Popsänger, Texter und Komponist.

Im Merziger Museum Schloss Fellenberg wird heute Abend eine Ausstellung eröffnet, die Lennon noch in einer ganz anderen Rolle zeigt: als bildenden Künstler. Wusste man, dass der Beatle in seiner Jugend ein paar eher erfolglose Jahre an der Kunsthochschule verbrachte, dass er später einige seiner Bücher mit eigenen Zeichnungen versah und über seine Ehefrau Yoko Ono Konzeptkunst und Fluxus kennenlernte, so wird einem in der Ausstellung "The Art of John Lennon" doch erst bewusst, welch große Bedeutung die Kunst für ihn tatsächlich hatte.

Sicher, manches, was uns hier an Zeichnungen, Karikaturen, Comics und Lithografien begegnet, fand den Weg ins Museum offensichtlich nur, weil es dem Geist und der Hand eines John Lennon entsprang: flüchtig auf Briefpapier der Beatles-Plattenfirma Apple - nun ja - gekritzelte Fabelwesen etwa, die höchstens Auskunft darüber geben, wie spannend eine Geschäftssitzung der Firma gewesen sein muss. Länger verweilt man dagegen, wo Lennons überdurchschnittliches zeichnerisches Talent und seine sensible Beobachtungsgabe offenbar werden, wo Melancholie und Poesie dem Skizzenhaft-Spontanen, das sein Werk durchzieht, Tiefe geben. Das ist etwa bei den Zeichnungen der Fall, die ihn zusammen mit Yoko Ono zeigen: Haare, Brille, Mund - wenige Striche, mal mit Feder, mal mit japanischer Sumi-Tinte, oft einfach nur mit Bleistift oder Kugelschreiber aufs Papier gebracht, vereinen sich zu erstaunlichen Doppel-Porträts, in denen das Paar zur physischen Einheit zusammenwächst. Lennon, der früh die Mutter verlor, suchte und fand Halt bei Ono. Viele Zeichnungen, die in Merzig zu sehen sind, entstanden in den letzten Lebensjahren Lennons, die er zurückgezogen in der Rolle des Familienvaters verbrachte. Entsprechend die Motive: Hier eine Stubenkatze vorm Goldfisch-Glas, dort ein Fantasie-Kamel für Sohn Sean - Spiegelungen der Zuflucht in familiäre Geborgenheit, die Lennon selbst als Kind nicht kannte.

Dass die Exponate weitgehend ohne Erläuterungen auskommen müssen und die Hängung kaum erkennbar einem Konzept unterliegt, ist eine Schwäche der Schau. Die wohl vor allem darin begründet ist, dass hier eher der gemeine Lennon-Fan als der klassische Kunst-Liebhaber angesprochen werden soll. Beatles-Experte Michael-Andreas Wahle, auf dessen Sammlung die Schau basiert, will vor allem, dass sie "Spaß macht". Dafür hat er manches mitgebracht, was Fan-Herzen höher schlagen lässt: von handsignierten Fotos über einen lebensgroßen Lennon-Pappkameraden für Schnappschüsse bis zum großen Ehebett, das in Reminiszenz an die Amsterdamer "Bed-In"-Aktion mitten im Raum steht. Besucher können sich hineinfläzen und Musik hören - eine von vielen schönen Ideen, die die konzeptionellen Schwächen vergessen lassen.

 Bunt und fröhlich: „Friends“ (undatiert). Fotos: Sammlung Wahle

Bunt und fröhlich: „Friends“ (undatiert). Fotos: Sammlung Wahle

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Auf einen BlickEröffnung von "The Art of John Lennon" mit Einführung durch den Sammler Michael-Andreas Wahle: Heute Abend, 19.30 Uhr, Museum Schloss Fellenberg in Merzig (Torstr. 45a). Die Schau läuft bis 27. Juli. Öffnungszeiten: Di-So, feiertags 14 bis 17 Uhr und nach Voranmeldung. Ein Begleitprogramm zur Ausstellung umfasst neben einem Musik-Casting für Jugendliche (18. Mai) unter anderem einen Video-Workshop mit Kameramann und Regisseur Michael Koob und ein Film-Open-Air (26. Juli). Weitere Infos im Internet: www.museum-schloss-fellenberg.de. jkl

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