Der Analyst der sozialen Kälte

Athen. Theo, wie viele seiner Freunde ihn nannten, bezeichnete seine Filme selbst als eine Art Dichtung: "Ich erwarte nicht von Dir, dass Du das verstehst, was ich mit meinen Filmen meine. Ich erwarte von Dir, dass Du das verstehst, was Deine Seele aus diesen Filmen versteht. Es ist eben wie Dichtung", sagte Angelopoulos

 "Ich mache Filme für mich - nicht für die anderen", war einer von Angelopoulos' Leitsätzen. Foto: Orestis Panagiotou/dpa

"Ich mache Filme für mich - nicht für die anderen", war einer von Angelopoulos' Leitsätzen. Foto: Orestis Panagiotou/dpa

Athen. Theo, wie viele seiner Freunde ihn nannten, bezeichnete seine Filme selbst als eine Art Dichtung: "Ich erwarte nicht von Dir, dass Du das verstehst, was ich mit meinen Filmen meine. Ich erwarte von Dir, dass Du das verstehst, was Deine Seele aus diesen Filmen versteht. Es ist eben wie Dichtung", sagte Angelopoulos. Die gesellschaftliche Vereinzelung war ein Leitmotiv fast aller seiner Filme. Angelopoulus war einer der großen Melancholiker des europäischen Kinos. Unbehauste waren es immer wieder, die er zeigte. Menschen, die in den monumentalen Landschaftsbildern, die Angelopoulus liebte und als Metaphern sozialer Kälte begriff, oft verloren wirkten.1935 in Athen geboren, wuchs Angelopoulus zu Zeiten des griechischen Bürgerkriegs im Zuge der Besetzung des Landes durch die Achsen-Mächte heran. Dessen politisch-gesellschaftliche Folgen prägten sein Leben und das von Millionen Griechen. Angelopoulos aber war fasziniert vom Kino, dem Medium, das für ihn einen Ausweg aus der Misere zeigte. Nach einem nicht abgeschlossenen Jurastudium wanderte er nach Frankreich aus, ehe er 1964 zurückkehrte. Anerkennung fand er erst in den 70er Jahren, als er sich in drei Filmen mit der jüngsten und schmerzhaften Geschichte seines Landes auseinandersetzte. Sein mehrfach ausgezeichneter Film "Die Wanderschauspieler" (1975) brachte Angelopoulos den internationalen Durchbruch. Der Film erzählt in elegischen Bildern die Geschichte einer Truppe von Wanderschauspielern, die die jüngere griechische Geschichte reflektieren. Für "Alexander der Große" bekam er 1980 bei den Filmfestspielen in Venedig den Goldenen Löwen, für "Landschaft im Nebel" 1988 den Silbernen Löwen. Bekannt sind auch seine späteren, ungemein poetischen, so behutsam wie langsam erzählten Filme "Der Bienenzüchter" und "Reise nach Kythera". Der für seine langen Einstellungen und eine eher sperrige Erzählweise bekannte Regisseur setzte sich in seinen Filmen immer wieder mit der Geschichte und Gegenwart Griechenlands und des Balkans auseinander und griff bereits in den 90ern das Migrationsthema auf, während er in "Der schwebende Schritt des Storches" oder "Blick des Odysseus" den Zerfall des Sozialismus analysierte. Für "Blick des Odysseus", der vielen Griechen und Angelopoulos selbst wohl als sein bestes Werk galt, bekam er 1995 in Cannes den Großen Preis der Jury - nicht aber die Goldene Palme. Beleidigt meinte er: "Wenn das alles ist, was Sie für mich haben, habe ich nichts zu sagen." Er nahm aber einen neuen Anlauf und erhielt 1998 die Goldene Palme in Cannes für den Film "Ewigkeit und ein Tag" mit Bruno Ganz und Isabelle Renauld.

Angelopoulos war kein einfacher Mensch. Seine Charaktere waren schwierig und undurchsichtig. In der Regel waren es tragische Figuren - Rückkehrer aus dem Exil, Regisseure ohne Inspiration, sterbende Schriftsteller. "Ich mache Filme für mich - nicht für die anderen", sagte er gerne. Der japanische Regisseur Akira Kurosawa fasste Angelopoulos' sehr gedehnten, desillusionierenden Stil einmal in die Worte: "Durch eine Linse schaut sich Angelopoulos im Stillschweigen die Welt an." dpa/red/afp

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