Der Aberwitz im Pavillon

Saarbrücken · Gewaltig gekürzt hat Regisseur Tom Ryser Mozarts „Die Gärtnerin aus Liebe“ und dafür kostbare Musik geopfert. Hat sich das ausgezahlt? Die Oper hatte am Samstag Premiere im Saarländischen Staatstheater.

 Elizabeth Wiles als Violante, die sich als Gärtnerin namens Sandrina ausgibt. Fotos: Thomas M. Jauk

Elizabeth Wiles als Violante, die sich als Gärtnerin namens Sandrina ausgibt. Fotos: Thomas M. Jauk

 Algirdas Drevinskas als dolchender Belfiore.

Algirdas Drevinskas als dolchender Belfiore.

Eigentlich ist alles ganz einfach: Belfiore erdolcht seine Geliebte Violante, glaubt, sie sei tot, und macht sich davon. Sie überlebt und verdingt sich, um den immer noch Geliebten zurückzugewinnen, als Gärtnerin Sandrina beim Podestà von Lagonero, wo Belfiore weilt. Dieser plant aber, Arminda zu ehelichen, des Podestàs Nichte, in die wiederum Nachbar Ramiro verliebt ist, während der Podestà für Sandrina entflammt, was Serpetta, seine frühere Geliebte , so erbost, dass sie den verliebten Nardo zurückweist, den Diener Violantes, der sich aber als ihr Bruder ausgibt . . . alles klar?

Diese aberwitzige Konstruktion namens "La finta giardiniera" ("Die Gärtnerin aus Liebe") von Mozart inszeniert Tom Ryser am Saarländischen Staatstheater , indem er zunächst einmal das Stück gewaltig kürzt (wofür er kostbarste Musik opfern muss) und die blutige Vorgeschichte als Schattenspiel auf den speckigen Vorhang projiziert. Der Eindruck einer Wander- und Wunderbühne wird dadurch verstärkt, dass das Orchester auf der Bühne sitzt und die Handlung damit unmittelbar an die Zuschauer heranrückt. Die fehlende Logik des Librettos ersetzt Ryser durch eine Fülle pfiffiger Einfälle und schafft so ein Buffo-Vergnügen mit viel Bewegung, Witz, Tempo und Leidenschaft, zu dem das quirlige Treiben des Kinderchores erheblich beiträgt.

Wirklich ein "Dramma giocoso", wie Mozart es nannte, angesiedelt in einem runden Gartenpavillon, der sich später durch Drehung und Lichteffekte effektvoll in Wald und Grotte verwandelt (Bühnenbild und Kostüme: Stefan Rieckhoff). Ein Jugendwerk Mozarts? Ja, aber bereits ein Geniestreich. Wie sicher der 18-Jährige bereits die großen Ensembles konstruiert, wie meisterhaft er etwa im ersten Septett und dann in der Grottenszene jeden der sieben Darsteller anders charakterisiert, zeigt bereits die Hand des Virtuosen. Die Saarbrücker Inszenierung kann sich für die Umsetzung auf exzellente Sänger stützen. Elizabeth Wiles in der Titelrolle profitiert dabei von ihrer Vielseitigkeit: Nachdem sie ihren Klagemonologen eine Innigkeit gab, die an die Gräfin des später geschriebenen Figaro' erinnert, zeigt sie danach ebenso selbstverständlich ihr komödiantisches Spieltemperament. Tereza Andrasi als ihre Gegenspielerin Arminda wandelt sich von der arroganten Tussi in eine mit gleicher Leidenschaft und hohem sängerischen Einsatz zwischen Wut und Liebe wechselnde Frau. Judith Braun gibt mit herber Intensität den Ramiro, früher von Kastraten dargestellt, nun eine Hosenrolle: Ihre Eifersuchts-Arie, "perfida Donna ingrata" (treulose Undankbare) setzt einen der Höhepunkte. Herdís Anna Jónasdóttir, szenisch viel gefordert, brilliert mit spöttischer Selbstgefälligkeit als Kammermädchen Serpetta.

Die Herren setzen rollengemäß andere Akzente. Algirdas Drevinskas als der zwischen zwei Frauen schwankende Belfiore hat den Mut zum Schlaffi mit Barockperücke; Rupprecht Braun legt den Podestà als gewichtigen Bonvivant an, Stefan Röttig überzeugt als Nardo mit heiteren Buffoqualitäten. Singen können sie alle, und sie nutzen die Chancen, die Mozart ihnen mit ausdrucksvollen Partien bietet.

Das Staatsorchester, dem Graben entronnen, wird dadurch zum präsenten Mitspieler und bietet unter der Leitung von Ulrich Cornelius Maier einen federnd leichten Mozartklang. Ein Sonderlob für den von Mauro Barbierato und Hans-Joachim Hofmann einstudierten Kinderchor des SST, der nicht nur den italienischen Text überzeugend bewältigt, sondern auch sicher und spielfreudig manche szenische Aufgabe übernimmt (Choreografie: Lillian Stillwell). Bravos und rhythmischer Beifall.

Termine: 11., 16., 22. und 24. Juli; 7., 8. und 22. Oktober; 18. November und 14. Dezember. Tel. (06 81) 309 24 86.

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