Den Zufall kontrolliert

Saarbrücken · „Förmlich 2.0“ nennt die Hochschule der Bildenden Künste Saar (HBK) ihre diesjährige Absolventenausstellung. Am Freitagabend wurde sie eröffnet – zu sehen sind originelle Arbeiten zwischen Kunst und Design.

 HBK-Absolventin Berenike Zimmermann vor zwei ihrer Bilder, für die sie Flüssigkeiten vermengt und aufgenommen hat. Foto: Oliver Dietze

HBK-Absolventin Berenike Zimmermann vor zwei ihrer Bilder, für die sie Flüssigkeiten vermengt und aufgenommen hat. Foto: Oliver Dietze

Foto: Oliver Dietze

Streik an der Kunsthochschule! Oder doch nicht? Die Fassade des schicken Barockgebäudes ist mit Bannern übersäht. Bei näherem Hinschauen sind diese jedoch nicht mit politischen Forderungen sondern kryptischen Parolen beschmiert. Ruft man die dort beworbene Internetseite www.bittekeinewerbung.net auf, wird schnell klar, dass es sich um ein Kunstwerk handelt. Im Internet präsentiert der Designer Ivo Berg Fotos und Videos von Performances und Interventionen im öffentlichen Raum gegen die allgegenwärtige und langweilige Werbeflut.

Berg ist einer von 17 Absolventen , die gerade ihren Abschluss als Designer oder Künstler an der HBK gemacht haben und nun ihre Arbeiten präsentieren. Die Objekte der Produkt- und Kommunikationsdesigner sind vielfältig: Die Spanne reicht von der modularen Singleküche über Schallschutz und eigens entworfene Möbel für eine Musikerwohnung bis zum Elektroauto-Mobilitätskonzept für Großstädte.

Künstlerischer Höhepunkt der Ausstellung sind die Arbeiten zweier Studierender von Media-Art-Professor Eric Lanz. Berenike Zimmermann hat Flüssigkeiten vermengt und sie fotografiert. Entstanden sind so in "kontrolliertem Zufall" wunderbar lyrische Gebilde, an denen man sich kaum satt sehen kann. Von großem ästhetischem Reiz sind auch die beiden Videos von Achim Hartmann, der Federn in Kunstharz gegossen und diese unter einem Mikroskop gefilmt hat. Dabei bewegte er das Objekt und variierte die Schärfeeinstellungen, sodass ein visuelles Spiel mit Schärfe und Unschärfe, Raum und Tiefe entstand.

Ein weiteres Glanzlicht sind die Arbeiten der Studenten Yunsik Ko und Simon Kloppenburg. Gemeinsam mit dem Künstler Daniel Henrich und dem Studenten Frank Jung zeigen sie ihre Arbeiten in der alten Bekolin-Farbenfabrik am Römerkastell. Die Schau ist großartig inszeniert: Immer wieder nehmen die Arbeiten Bezug aufeinander oder zum morbiden Gebäude. Kos Zeichnungen und gestische Gemälde sind gut, herausragend sind seine grazilen Skulpturen aus Holzspänen, die linienhaft Maschinen in den Raum skizzieren. Auch Kloppenburgs Arbeiten begeistern, insbesondere eine von außen unscheinbare Kiste. Im mit schwarzem Ölpapier bezogenen Inneren läuft man auf schwammigen Gehwegplatten, die beim Betreten knirschen. Das Tageslicht scheint diffus durch die Decke, die Geräusche der Außenwelt sind kaum wahrnehmbar. So wird Kunst zur existenziellen und beklemmenden Erfahrung.

Die Arbeiten sind in der HBK am Samstag und Sonntag zu sehen; am Römerkastell (Mainzer Straße 101, Eingang Bushido-Zentrum) bis zum 31. Juli, zwischen 11 bis 19 Uhr.

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