Den Unverbesserlichen heiter begegnen

Saarbrücken. Ohne ein Gedicht geht man nicht heim von ihm. Tagesfrisch. Getippt - wie stets - auf Schreibmaschinentasten. Computer, Internet? Nein. Aber nach wie vor am Puls der Zeit: pointiert, aber nun manchmal auch voll Wehmut.Eine Plauderei mit Roland Stigulinszky und seiner Frau Bruni am Vorabend seines 85. Geburtstages, das wird schnell zur Halbjahrhundert-Revue

 Roland Stigulinszky mit dem "Tintenfisch" aus den frühen 50ern, den er und der ihn bekannt machte. Foto: Bellhäuser

Roland Stigulinszky mit dem "Tintenfisch" aus den frühen 50ern, den er und der ihn bekannt machte. Foto: Bellhäuser

Saarbrücken. Ohne ein Gedicht geht man nicht heim von ihm. Tagesfrisch. Getippt - wie stets - auf Schreibmaschinentasten. Computer, Internet? Nein. Aber nach wie vor am Puls der Zeit: pointiert, aber nun manchmal auch voll Wehmut.Eine Plauderei mit Roland Stigulinszky und seiner Frau Bruni am Vorabend seines 85. Geburtstages, das wird schnell zur Halbjahrhundert-Revue. Hatte der Saarbrücker Zeichner, Graphiker, Karikaturist, Satiriker und eben auch Dichter das Land an der Saar doch schon (satirisch) im Blick, als es erst noch Bundesland werden wollte. Seine Illustrationen für die "Kinderpost" der Saarbrücker Zeitung, vor allem aber für den "Tintenfisch" von Ende der 40er bis in die frühen 50er sind legendär. Damals rissen sich die Leser regelrecht um das Satireblatt. Wohl auch, um Hunger nach geistiger Nahrung zu stillen, die in Hitlers Reich verboten war. Und die im Joho-Land auch bloß homöopathisch zu haben war.

Sein Können, dass Stigulinszky auch an den flotten Strichen Berliner Zeitungszeichner selbst geschult hatte, nährte ihn nach Krieg und Gefangenschaft bald. Er illustrierte, später kamen politische Karikaturen hinzu. Und weil seine Bilder, die er sich von der Welt machte, auch Beschriftungen brauchten, machte er eben auch die. Diese Textchen aber wurden größer, emanzipierten sich auch vom Bild, reiften zu Satiren, die Stigulinszky auch für die Süddeutsche schrieb. Trotzdem, sagt er in herzlicher Untertreibung, war das, sein künstlerisches Tun, "ein schöner Jokus" nebenbei. Sein Talent, Dinge auf den Punkt zu bringen, nutzte er aber auch jenseits der Kunst. Als Gebrauchsgraphiker, PR-Fachmann und Werbeberater. Sein Brotberuf - für den er sich auch berufspolitisch stark machte.

Und heute? Ruhestand? Den kennt er nicht: "Ich versuche dem drohenden Ausverkauf des Hirns im Alter zu begegnen." So hat er gerade einen neuen Gedichtband fertig: "Die Äpfel röten sich". Naturlyrik nennt er es selbst. Und mancher der knappen Verse trägt auch schwer am Gefühl, bis der Satiriker das Sentiment abschüttelt. Den Unverbesserlichen heiter zu begegnen, ist wohl so etwas wie das Lebensleitmotiv Stigulinszkys. Schon als Knaben faszinierten ihn die Clowns, ihre Melancholie, sagt er. Und den Überblick über die Dinge, den der Satiriker auch so nötig braucht, holte sich der über viele Jahrzehnte begeisterte Flieger von oben. "Aber beim Fliegen lernt man auch, dass man immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurück muss", sagt er. Da bleibt wohl nur, zum Fünfundachtzigsten noch viele satirische Höhenflüge zu wünschen.

Roland Stigulinszky: "Die Äpfel röten sich". Gedichte, Verlag SCW-Auer-Sällef, 67 Seiten, 9,90 Euro.

Gleichungen

Blumen gleichen den Gedichten

Bäume sind wie alte Sagen

Garten ähneln Kurzgeschichten

Täglich gibt es neue Handlung

täglich Sonne, Regen, Wind

täglich wunderbare Wandlung

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