Den Künstlern auf der Spur

München. "Drüber", auf der sichtbaren Oberfläche der ausgewählten Gemälde, sieht man etwa - so, wie wir sie kennen - die "Alexanderschlacht" von Albrecht Altdorfer, die "Kreuzigung Christi" von Lucas Cranach oder das "Selbstbildnis im Pelzrock" von Albrecht Dürer

 Dürers Selbstbildnis: links ein Ausschnitt aus der Vorzeichnung Dürers, sichtbar gemacht mit Infrarot-Reflektographie, rechts eine Partie aus dem idealisierten Ölbild. Foto: Alte Pinakothek

Dürers Selbstbildnis: links ein Ausschnitt aus der Vorzeichnung Dürers, sichtbar gemacht mit Infrarot-Reflektographie, rechts eine Partie aus dem idealisierten Ölbild. Foto: Alte Pinakothek

München. "Drüber", auf der sichtbaren Oberfläche der ausgewählten Gemälde, sieht man etwa - so, wie wir sie kennen - die "Alexanderschlacht" von Albrecht Altdorfer, die "Kreuzigung Christi" von Lucas Cranach oder das "Selbstbildnis im Pelzrock" von Albrecht Dürer. "Drunter" ist die Vorzeichnung, die mit feinstem Pinsel in dunkler Farbe ausgeführt wurde. Nur der jeweilige Meister selbst und wenige Zeitgenossen dürften sie gesehen haben, aber modernste Technologie macht sie heute, 500 Jahre später, sichtbar.Die Aufnahmen, die anlässlich der Ausstellung "Drunter und Drüber" nun in der Alten Pinakothek in der Größe 1:1 den acht Originalgemälden zur Seite gestellt sind, werden sozusagen mit "unsichtbarem Licht" gemacht. Schon Wilhelm Conrad Röntgen stellte 1896 fest, dass er mit den nach ihm benannten Strahlen verschiedene Materialien durchleuchten konnte. "Ich fand durch Zufall, dass die Strahlen durch schwarzes Papier drangen. Ich nahm Holz, Papierhefte, aber immer noch glaubte ich Opfer einer Täuschung zu sein. Dann nahm ich die Photographie zur Hilfe, und der Versuch gelang." Eine bahnbrechende Erfindung für die Medizin - und für die Kunstgeschichte. Noch im selben Jahr wurde in München das erste Gemälde durchleuchtet.

Seit den 60er Jahren ist nun die moderne Infrarot-Reflektographie dem Künstler auf der Spur, um Unsichtbares sichtbar zu machen. Eingesetzt wird sie vom Doerner-Institut, dessen Aufgabe die Erforschung, Restaurierung und Erhaltung der Schätze der Bayerischen Staatsgemälde ist. Dort hat man die Durchleuchtung unter Einbeziehung der digitalen Technik perfektioniert - das Ergebnis ist die aktuelle Ausstellung, die Forschungsergebnisse erstmals der Öffentlichkeit präsentiert.

Ausgewählt wurden acht prominente Gemälde, die den Kunstkennern gut bekannt sind. Erstmals zu sehen aber sind die Fotografien der Unterzeichnungen. So hat Altdorfer die spektakuläre Mittelmeerlandschaft aus der Vogelperspektive ziemlich detailliert vorgezeichnet; geradezu minutiös sind im Vordergrund die Pferdeleiber, die Gruppen der im Wind bewegten Fahnen und der Zug der Kämpfenden festgelegt. Der gesamte Himmel mit den dramatischen Wolkengebilden und der aufsteigenden Sonne ist dagegen nicht vorskizziert - ihn erarbeitete Altdorfer frei in Farbe.

Eine Überraschung bietet das Selbstporträt Dürers, dessen fein ausgeführte Vorzeichnung den Eindruck eines eigenständigen Werkes macht. Mit dichten Parallelschraffuren modellierte Dürer sein eigenes Antlitz und kam dabei offensichtlich der Wahrheit wesentlich näher, während das in Öl darauf gemalte Gesicht idealisierend wirkt. Der Blick der Augen allerdings ist direkter, intensiver als im Entwurf.

Dass auch große Meister gelegentlich nach der richtigen Pose suchen, zeigt sich an der "Kreuzigung Christi" von Lucas Cranach dem Älteren. Innovativ ist die Position der drei Kreuze, die so über Eck stehen, dass sie einen inneren Raum umfangen, in dessen Mitte die trauernde Maria und Johannes stehen. Johannes hatte seine gefalteten Hände zunächst auf den Unterarm Marias gelegt, dann aber korrigierte Cranach die Haltung der beiden und verdeutlichte zudem den Blickkontakt zwischen der Mutter und ihrem sterbenden Sohn.

Bis 18. September, Mi bis So: 10 bis 18 Uhr, Di bis 20 Uhr.

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