Dauerverhandeln in der griechischen Krise

Brüssel · Selbst wenn sich die internationalen Geldgeber mit der griechischen Regierung in den kommenden Tagen einigen, bleibt eine große Ungewissheit: ob es Regierungschef Alexis Tsipras gelingt, die Vereinbarung durch das Parlament in Athen zu bringen.

Die wichtigste Botschaft des EU-Sondergipfels ging in der allgemeinen Enttäuschung über die vermeintliche Ergebnislosigkeit unter. Während Bundeskanzlerin Angela Merkel am Montag kurz vor Mitternacht noch zurückhaltend sagte, über ein drittes Hilfspaket für Athen sei "nicht gesprochen" worden, stellte Frankreich Staatspräsident François Hollande klar: "Es wird kein drittes Programm geben." Alle Euro-Länder hätten dies ausgeschlossen. Genauso wie übrigens eine Restrukturierung der Schulden oder gar ein Verzicht auf die Rückzahlung. Merkel: "Das steht nicht zur Debatte."

Da Hollande aber gleichzeitig betonte, man wolle eine "tragfähige Lösung", um nicht "alle sechs Wochen neu über Griechenland reden zu müssen", fragten sich die Beobachter in Brüssel , ob der Gipfel nicht doch sehr viel weitergehende Wege besprochen hatte als nur die Billigung der neuen, zwölfseitigen Sparliste, die Tsipras mitgebracht hatte. Diese Liste lobten die meisten als "einen gewissen Fortschritt". Immerhin wurde sie nicht einmal von der strengen Chefin des Internationalen Währungsfonds, (IWF), Christine Lagarde , gleich wieder vom Tisch gewischt. Dass aber noch "viel Arbeit" nötig sei, sahen auch alle.

Zwei Hürden für Tsipras



Inzwischen haben die Geldgeber die Detailberatungen aufgenommen. Sie müssen bis zur eilig einberufenen Sondersitzung der Euro-Finanzminister heute Abend ausgerechnet haben, ob das genannte Sparvolumen von rund fünf Milliarden Euro in den nächsten eineinhalb Jahren wirklich realistisch ist. Sollte dies der Fall sein, könnten erst die Kassenwarte, morgen die Staats- und Regierungschefs und anschließend die nationalen Parlamente - darunter auch der Bundestag - die neue Vereinbarung absegnen. Da diese Prozedur kaum bis zum 30. Juni zu schaffen ist, erklärte sich Athens Premier Alexis Tsipras bereit, formell um eine Verlängerung des zweiten Rettungspaketes zu bitten. Ansonsten würden die noch ausstehenden 7,2 Milliarden Euro in der kommenden Woche verfallen.

Tatsächlich habe sich der griechische Regierungschef "erkennbar bewegt", hieß es gestern in Brüssel . So willigte er ein, den Primärüberschuss (Haushaltsplus ohne Schuldendienst) nun doch bei einem Prozent für das laufende Jahr festzuschreiben. Privatisierungen von Flughäfen und Unternehmen will er zustimmen, wenn die öffentliche Hand beteiligt bleibe. Und auch die umstrittenen Frührenten sollen abgeschafft werden. "Unser Vorschlag ist als Basis für Gespräche akzeptiert worden", erklärte der Premier nach dem Ende des Treffens in der Nacht.

Doch selbst wenn Alexis Tsipras bis morgen Abend den Segen der Euro-Finanzminister sowie der Staats- und Regierungschefs erhält, stehen ihm noch zwei weitere Hürden bevor. Vermutlich am Wochenende muss er eine Einigung durch das Athener Parlament bringen, wo er mit massivem Gegenwind aus den Reihen der eigenen Syriza-Partei rechnen muss. Regierungssprecher Gabriel Sakellaridis hielt bereits kräftig dagegen und erklärte, man sei "ganz nahe an einer Übereinkunft" und dass das Parlament "das Abkommen billigen wird". Zur Unterstützung für den eigenen Premier müssen inzwischen sogar die Partei-eigenen Medien trommeln. So schrieb das linke Blatt "Avgi": "Die Reichen tragen die Last, die Gläubiger die Verantwortung." Eine brauchbare Vereinbarung sei also absehbar.

Doch ob die Mehrheit der Tsipras-Gefolgsleute das Einknicken in Brüssel mitträgt, bleibt offen. Tsipras' Koalitionsregierung hat 162 Abgeordnete im Parlament. Zwölf Abweichler würden genügen, und die Regierung stünde vor dem Aus. Und selbst wenn der Regierungschef die Rückendeckung der Abgeordneten seiner Koalition erreichen sollte, droht am Dienstag nächster Woche ein weiterer Stolperstein: Dann muss Athen nämlich die Juni-Rate an den IWF in Höhe von 1,6 Milliarden Euro überweisen. Woher das Geld kommen soll, ist unklar.

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