„Das war schon ganz gut“

Saarbrücken · Er ist ein Polarisierer der Kulturszene: Meinrad Maria Grewenig. Mit der Schau „Hyperreal“, die am Wochenende startet, verabschiedet er sich als Interims-Vorsitzender der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz.

 Ein Abschied, wie er besser nicht passen könnte: knallige Farben, effektvolle Pop-Art. Grewenig posiert neben Duane Hansons „Old couple on a bench“ – einem Exponat der „Hyperreal“-Ausstellung, die am Wochenende in Saarbrücken eröffnet. Foto: Oliver Dietze

Ein Abschied, wie er besser nicht passen könnte: knallige Farben, effektvolle Pop-Art. Grewenig posiert neben Duane Hansons „Old couple on a bench“ – einem Exponat der „Hyperreal“-Ausstellung, die am Wochenende in Saarbrücken eröffnet. Foto: Oliver Dietze

Foto: Oliver Dietze

Lässt man die Zeit Meinrad Maria Grewenigs als Interimschef der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz Revue passieren, hat man ihn schnell wieder im Ohr, diesen aufgekratzten medial-politischen Begleitsound der vergangenen zwei Jahre: Grewenig, der Retter, Grewenig, der Revolutionär, Grewenig, der Lügner. Gleich, was der 59-Jährige tat oder sagte - die öffentliche Reaktion schien stets zwischen Euphorie und Schnappatmung zu changieren. Umso erstaunlicher, wie aufgeräumt einem Grewenig dieser Tage begegnet, spricht man mit ihm über die turbulente Zeit. Gelassen formuliert er Sätze wie "Ich bin nie als Wunderheiler angetreten" oder "Ich mache Museumsarbeit, wie ich sie für richtig halte, manche finden das eben gut, andere nicht".

Mit der "Hyperreal"-Schau, die am Wochenende eröffnet, verabschiedet sich Grewenig, dessen Amtszeit im April offiziell endete, als Stiftungschef. Als er die Stiftung im Februar 2011 übernahm, sei er von ein paar Monaten ausgegangen, sagt er - solange gegen den beurlaubten Ex-Chef Melcher ermittelt wurde. Dass er der richtige Mann für den Job sei, darüber bestand in der Öffentlichkeit Konsens. Auch, weil Grewenig Anfang der 90er schon einmal Vizedirektor des Saarlandmuseums war: "Für mich war es eine Annäherung an eine alte Liebe", sagt er.

Bei ein paar Monaten blieb es nicht: Der Spesen-Skandal weitete sich aus, ein Bauskandal kam dazu, scheibchenweise trat das ganze Desaster um den Vierten Pavillon ans Licht. Ein Politikum, das Grewenig auch in die Rolle des Krisenmanagers zwang. Im Herbst 2011 gab er einen Controller-Bericht in Auftrag, der die Versäumnisse um den Erweiterungsbau untersuchen sollte, führte durch den Rohbau und zog so den Groll des Sponsors Edwin Kohl auf sich, der ihm unterstellte, einen "Skandalbau" herbeizureden. Schon damals erwägte Kohl den Ausstieg als Sponsor, mittlerweile laufen Schlichtungsgespräche. Grewenig will den Konflikt nicht kommentieren. Er habe nur die Controller zitiert, sagt er. Und: "Ich habe nichts gegen Herrn Kohl."

Neudefinition des Museums

Dass er seine Rolle stets deutlich weiter gefasst sah als die des Krisenmanagers, machte Grewenig früh deutlich: Den "Begriff Museum" wolle er "neu definieren", sagte er bereits 2011 und skizzierte seine Vorstellung einer Auflösung der Trennung von Sonderschau und Sammlung. Irritiert reagierten Kuratoriumsmitglieder, als Grewenig Flyer umgestalten ließ - grell und bunt erschien nun, was früher schwarz-weiß daher kam. Das erste Mal zeigte sich hier der Polarisierer Grewenig, auch wenn er selbst mit der Unterscheidung zwischen besucherfixiertem Kulturmanager, den viele in ihm sehen, und wissenschaftsorientiertem seriösem Ausstellungsmacher nichts anfangen kann. "Das primäre Ziel muss sein, Kunst möglichst vielen Menschen zu vermitteln", sagt er. "Wie anders als mit einer Kommunikation soll das gehen, die sich nicht nur an Akademiker richtet?" Eine Haltung, die auch intern Skepsis hervorrief. Mit Bauchgrimmen erinnert sich in der Stiftung mancher an Aktionen wie "100 Jahre Rudolf Bornschein" im März 2012, als wissenschaftliche Mitarbeiter sich genötigt sahen, in Bornschein-T-Shirts durch die Stadt zu laufen und Kugelschreiber zu verteilen.

Unumstritten dagegen die (teilweise) Wiedereröffnung der Modernen Galerie mit der Roland-Fischer-Fotografieschau im Sommer 2012. Grewenig selbst sieht es als sein wichtigstes Verdienst, die "Trampelpfade zum Museum" wieder aktiviert zu haben. Wichtig sei auch die "Akzentuierung der Alten Sammlung" mit Ausstellungen von "Zauber der Landschaft" bis "Katharina Kest" und die Diskussion um den Standort des Wadgasser Zeitungsmuseums gewesen. Letztere hält er für noch lange nicht beendet. Als Kurator setzte Grewenig, wie zu erwarten, auf farbige Reize - etwa bei den großformatigen Porträtfotos vor blauem Hintergrund in der Fischer-Schau. Manches wie die Bosslet-Ausstellung oder die "Kunst der 50er-Jahre" kam in der Folge bei Kritikern gut an, anderes wie das pompös in Szene gesetzte "Blaue Pferdchen" weniger. Die von ihm eingeführten Eintrittspreise für die Alte Sammlung machte das Kuratorium bald rückgängig. Er habe das akzeptiert, sagt Grewenig heute, auch wenn er überzeugt sei, dass die Eigenfinanzierungsquote der Museen gesteigert werden müsse.

Abschied ohne Streit

Am Ende war es die Politik, die Grewenig, der sich unter bestimmten Umständen ein dauerhaftes Engagement hätte vorstellen können, ausbremste. Die Idee von der Auflösung der Verwaltungsstrukturen samt Verzahnung mit der Völklinger Hütte, wollte Kulturminister Ulrich Commerçon (SPD) nicht mitgehen. Für ihn sei das völlig in Ordnung gewesen, so Grewenig, er habe sofort angeboten, sein Amt niederzulegen, um sich wieder Völklingen zuzuwenden. "Im Übrigen", fügt er hinzu, "bin ich seit Jahren der erste Chef des Saarlandmuseums, der in Frieden scheidet." Der Stiftung wünsche er, dass es bald mit dem Bau weitergeht - ohne Kontroversen, immer mit dem "übergeordneten Ziel", die "große Wunde", die entstanden sei, zu schließen. Welches Resümee er selbst aus seiner Amtszeit ziehe? Grewenig lächelt: "Ich will mir keine Note geben, aber ich denke, das war schon ganz gut."

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