Das verkaufte Kind

20 Jahre lang trugen Sie die Idee zu "Die Unbekannte" mit sich herum. Erinnern Sie sich noch an die ursprüngliche Inspiration?Tornatore: Ja, aber es war mehr als eine Inspiration. Ich hatte einen Zeitungsartikel gelesen, in dem es um eine Frau aus Kalabrien ging, die "auf Vorbestellung" zwei Kinder geboren und verkauft hatte

20 Jahre lang trugen Sie die Idee zu "Die Unbekannte" mit sich herum. Erinnern Sie sich noch an die ursprüngliche Inspiration?

Tornatore: Ja, aber es war mehr als eine Inspiration. Ich hatte einen Zeitungsartikel gelesen, in dem es um eine Frau aus Kalabrien ging, die "auf Vorbestellung" zwei Kinder geboren und verkauft hatte. Da habe ich mich gefragt, was passieren würde, wenn diese Mutter ihre Kinder irgendwann zurückhaben will?

Sie bezeichnen "Die Unbekannte" als einen Film über die Liebe.

Tornatore: Die Liebe einer Mutter ist der Motor der Geschichte - ein Krimi, in dem wir keinen Mörder suchen, sondern ein Gefühl. Eine Mutter tut alles, um ihre Tochter zurückzubekommen. Sie greift sogar auf die Gewalt zurück, deren Opfer sie selbst ist.

Wie beurteilen Sie die Situation für Filmemacher in Italien?

Tornatore: Als schwierig. Seit vielen Jahren stecken wir in einer Krise. Die finanziellen Ressourcen schrumpfen immer mehr, das Publikum fühlt sich zunehmend zu den großen US-Produktionen hingezogen.

War der Oscar-Erfolg zu einem so frühen Zeitpunkt Ihrer Karriere nur ein Segen oder manchmal auch ein Fluch?

Tornatore: "Cinema Paradiso" war für mich sehr viel mehr Segen als Fluch. Der Oscar hat mir viele Chancen eröffnet. Natürlich gab es auch Momente, in denen der Markt unmittelbar nach dem Oscar verlangte, dass ich bestimmte Filme mache. Ich habe darunter nicht gelitten, weil ich mich dazu entschlossen habe, wirklich nur die Filme zu machen, die mir etwas bedeuten.

Ennio Morricone ist als Komponist Ihr langjähriger Wegbegleiter. Was zeichnet Ihre Beziehung aus?

Tornatore: Ich bin keiner dieser Regisseure, die den Musiker am Ende hinzuholen und sagen, mach mir mal den Soundtrack. Ich habe es schon immer geliebt, die Musik mit Ennio Morricone vor dem Film zu machen. Ich ziehe ihn bereits in der Drehbuchphase hinzu, und er entwickelt seine Ideen. Wenn mir etwas an seiner Musik nicht gefällt, sage ich das sehr deutlich. Und er nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn er eine meiner Ideen für falsch hält. Es ist eine enge Beziehung.

Kritik zu "Die Unbekannte" morgen im treff.region; zu sehen in der Camera Zwo (Sb).

Auf einen Blick

Die anderen Neustarts der Woche: Neben der "Unbekannten" ist ebenfalls exzellent: die skurrile Komödie "Charlie Bartlett" (Cinestar, Sb) um einen Jungen, der sich in seiner Schule als Aushilfs-Psychiater betätigt. Sehenswert sind der Episodenfilm "1. Mai - Helden der Arbeit" (Camera Zwo, Sb) über die traditionellen Mai-Krawalle, der Teenie-Grusel "All the boys love Mandy Lane" und der Dschungel-Horrorfilm "Ruinen" (beide im Cinestar). Nicht gänzlich gelungen, dennoch spannend ist das deutsche Thriller-Drama "Die Anruferin" (Filmhaus, Sb): über eine junge Frau, die sich mit Gewalt in eine andere Familie drängt. tok

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